Innere Medizin |
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Apotheken-Rezept (3), um 1750 |
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Adressat Zusammensetzung Hauptbestandteil des Medikamentes war frisch zubereitetes ("viva") Kölnisch Wasser. 1709 entwickelte der italienischstämmige Johann Baptist Maria Farina (1683-1732 ) in Köln ein Duftwasser, in dessen Fabrikation Orangen, Pampelmusen, Citronen, Bergamotte, Cedrat, Limette und die Blüten und Kräuter italienischer Pflanzen eingingen. Ab 1714 vertrieb sein jüngerer Bruder Johann Maria Farina (1685-1766) ein von ihm entwickeltes Elixir „Aqua mirabilis“, das nicht als Duftwasser vertrieben, sondern als Medizin, die per os eingenommen wurde. Seine wundersame Kraft wurde weithin gepriesen, etwa als Präventionspräparat gegen die Pest, aber auch gegen Gelbsucht, Ohnmachten und - da kam das Duftwasser schon durch - gegen "stinkenden Atem". Schon bald zeugten mehr als fünfzig Hoflieferanten vom Erfolg des Produktes. Die französischen Kunden bezeichneten ab 1742 Johann Maria Farinas Produkt als "Eau de Cologne". - "Eau de Cologne“ wurde zum Synonym für leichte Duftwässer überhaupt. Als erstes "Adjuvans" finden wir die "eau d'arquebusade" (Schußwasser, Wundwasser, Aqua vulneraria spirituosa, Vinosa) war ein klassisches Wundwasser. Im16. Jahrhundert waren kräuterheilkundige Mönche vom französischen König beauftragt worden, ein Mittel zur Behandlung der Gewehrschützen zu entwickeln, die unter wunden und verletzten Schultern litten. Das entstandene Elixier hieß „Eau d’Arquebusade“ und bestand aus über siebzig (vornehmlich in den Alpen gepflückten) Heilkräutern. Als zweites "Adjuvans" finden wir "Extractum Saturni" (Bleiessig, Bleiextrakt, Acetum Lithargyri, plumbicum) wird bereitet, indem man acht Lot Mennige mit drei Pfund destilliertem Essig in einem glasierten irdenen Topf unter stetem Umrühren so lange kocht, bis ein Pfund übrig bleibt, worauf es filtriert wird. Ein Lot davon auf ein Maß Regenwasser gibt das bekannte Goulardsche Bleiwasser, welches nur äußerlich, bei Brucheinklemmung auch in Klistieren, angewendet wird. Auch in der Tierarzneikunde kam Bleiwasser vor (Eustachius Hesberger, in Fulda (1798) :
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Apotheken-Rezept (4), um 1780 |
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Rezepte kamen im 16. Jahrhundert auf. Es wurde in vielen Städten Pflicht in der Apotheke ein Rezeptbuch für die Ärzte auszulegen. Dieser schrieb dann Anordnungen für die Arzneizubereitung nieder (Hinrichsen T., Jodat B., Von Apotheken, Pillen und Kräutern, Husum 2001, S.16). Daraus entwickelten sich Rezeptsammlungen, „Medicametarien“ oder „Pharmakopöen“ genannt (Hinrichsen 2001, S. 24). Abführung, Aderlass und Einlauf - sehr viel mehr hatte die Medizin im 17. und 18. Jahrhundert nicht zu bieten. Vorgestellt wird ein typisches Rezept für ein Abführmittel "ancien régime". - Senné moudé (vgl. "moudre", mahlen; heute schreibt man "moulu") Zu dem Arzt Durande Zu den Inhaltsstoffen
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Apotheken-Rezept (5), um 1800 |
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Zusammensetzung Hauptbestandteil (Cardinale) des Medikamentes war Süsser Quecksilber. Quecksilber(I)-chlorid (Kalomel, „schönes Schwarz“ von altgriechisch kalos=„schön“ und melas=„schwarz“, früher auch süßes Quecksilber oder Quecksilberchlorür) ist ein weißes, in Wasser nur sehr wenig lösliches, schweres Salz, das bei ca. 380 °C sublimiert. Im Licht verfärbt es sich allmählich dunkel bis schwarz (daher der Name Kalomel), weil es unter Disproportionierung zu elementarem Quecksilber und Quecksilber(II)-chlorid zerfällt. Da es wegen seiner äußerst geringen Wasserlöslichkeit vom Körper kaum resorbiert wird, fand es vielfältige Anwendung in der Medizin: als Diuretikum, gegen Entzündungen in Nase und Rachen, als Abführmittel, zur Anregung der Gallenfunktion, gegen Brechdurchfall, bei Wassersucht, Milz-, Leber-, Lungenleiden, bei Gicht, sowie äußerlich gegen Hornhautflecken, Geschwüre, Skrofeln und Feigwarzen. "Mercur. dulcis contra Virus Gallicum" - Kalomel war Standardtherapie bei Syphilis ... Da dem Kalomel in unserm Rezept Radix Rhei (medizinischer Rhabarber) als Adjuvans beigegeben wurde, ist anzunehmen, dass das Rezept insgesamt als Purgativum gedacht war. Saccharum album (weisser Zucker) wurde als Korrigens d.h. Geschmacksverbesserer zugefügt. Die abführende Wirkung des Kalomels war nach neuesten Forschungen möglicherweise für den frühen Tod des Musikers Wolfgang Amadeus Mozart verantwortlich: Leopold Mozart, sein Vater, hatte damals wegen seiner vielen, häufig kranken Kinder eine umfangreiche Hausapotheke, die auch Kalomel enthielt. Die bekannten Symptome Depressionen, Mattigkeit, Ohnmachten, Schreckhaftigkeit, Erregbarkeit, Fieber, Exantheme, Nierenversagen sprechen für eine Quecksilbervergiftung durch den übermäßigen und ständig gesteigerten Verbrauch des Abführmittels Kalomel. Kalomel war darüberhinaus ein geschätztes Antiphlogistikum. Der Rostocker Arzt Georg Friedrich MOST (1794-1845) empfahl 1845 in seiner "Enzyklopädie der Volksmedizin" "Versüßtes Quecksilber", Kalomel (Mercurius dulcis, s. Hydrargyrum muriaticum mite), etwa zwei bis drei Quäntchen in der Reiseapotheke mit sich zu führen:
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Apotheken-Rezept (6), 1827 |
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Der Faltbrief war die ursprüngliche Form des Briefes vor dem Aufkommen von Briefumschlägen, wobei die Enden des Papiers gefaltet und ineinander gesteckt sowie versiegelt wurden. Bis spät in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts waren diese Briefe üblich. Vorgestellt wird ein versiegelter, nicht (!) abgestempelter Faltbrief, der offenbar durch einen privaten Boten zugestellt wurde (Fehlen von Stempeln). Er erläutert ein Apotheken-Rezept, das beilag: A Monsieur Weydert Luxembourg le 10 décembre 1827
Quand on veut faire usage de l'élixir / pendant une huitaine ou plus, on en prend ordinairement / une cuillière au matin et une au soir, ou plus tôt on en / prend autant qu'il faut pour aller deux fois par jour / à selle; pour ne pas nuir à la poitrine et diminuer / le mauvais goût, on mêle de l'eau à volonté à la / dose, et on mache un morceau de sucre avant d'avaler / et un morceau après, de la confiture fait le même effet. / Pour le reste on mange et on bois comme à m'ordinaire / on peut même déjeuner immédiatement après avoir pris / la dose. on recommande aux personnes qui attrapent / des maux de ventre par l'élixire, de ne pas faire usage / des laitages". Zum Adressaten des Briefes: mit dem Friedensrichter von Betzdorf und Grevenmacher Jean-Baptiste WEYDERT treten wir in die luxemburger Hochfinanz ein. Eine Tochter heiratete in der Tat Vincent Muller aus Langsur, deren Sohn Hubert (Muller-Tesch) Direktor der ARBED (jetzt Arcelor-Mittal) wurde - was erklärt, warum der hier vorgestellte Brief in einem Konvolut von Schriftstücken der Industriellenfamilie Collart aus Dommeldingen auftauchte ...
Wer aber war der Absender dieses Briefes mit dem beiliegenden und kommentierten Rezept? J(oseph) HEYNEN war kein Arzt; das zeigt schon die Bemerkung über die "scellés" und der wiederholte Bezug auf juristische Kreise. Wir finden die Spur des Joseph HEYNEN in den "Logements militaires" von Alphonse Rupprecht wieder, wo er S. 362 erwähnt wird [unter Berufung auf Neyen III S. 183]: Joseph HEYNEN wurde um 1780 in Luxemburg geboren als Sohn des "conseiller et procureur général au Conseil provincial" und zog sich später nach Ehnen zurück, wo er sich politisch betätigte "fut deux fois envoyé par les électeurs du canton de Grevenmacher à la chambre des députés, où il siégea du 3 octobre 1848 au juin 1851 et du 7 octobre 1851 au 2 mai 1852, jour de son décès".
Gaspard-Theodore-Ignace de la FONTAINE (1787-1871) war in Luxemburg geboren und seit 1810 Anwalt in der Hauptstadt - seit 1816 Mitglied der "États provinciaux"; später Gouverneur und erster Regierungspräsident Luxemburgs.
Kurpfuscherei auf höchstem sozialen Niveau!
Hier die Zusammensetzung des "Elixir de longvie" (hat nichts mit der Stadt Longwy zu tun!): die zerkleinerten Wurzeln) et D. ad c[h]art. ..................................... (et da ad chartas +und fülle alles in Papiertütchen ab)
Rp. Das Medikament wirkte abführend und harntreibend, weswegen vorsichtshalber herzstärkende Mittel beigemischt waren. Als Hauptbestandteile des Lebenselixirs erkennt man die Abführmittel Aloe, Agaricum und Rhabarberwurzel sowie das Allheilmittel Theriak. Als Entwässerungsmittel ist Wacholder beigemengt. „Zedoariae Rhizoma“ wurde aus den getrockneten Rhizom-Wurzeln der Zitwerwurzel hergestellt und wurde als Magen- Galle- und Lebermittel verwendet. Die Wurzel des gelben Enzian half bei Appetitmangel, Blähungen, Erschöpfung, Fieber. Sie war herzstärkend und wurde bei Leberbeschwerden und "verdorbenem" Magen angewandt. Galgantwurzel bewirkt eine Steigerung der Magensaftsekretion. Engelwurz schützte vor Infektionen. Während der Pestepidemien kauten Ärzte auf der Wurzel der Engelwurz, um sich vor Ansteckung zu schützen. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulzerosa bietet die Myrrhe, wie ernsthafte Studien zeigen, eine echte Alternative zur Standardtherapie mit Sulfasalazin ... Safran wirkt schmerzstillend und herzstärkend.
Ein ähnliches Rezept befindet sich in den "Archives départementales de Savoie":
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Apotheken-Rezept (7), 1875 |
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Inhaltsstoffe Am 17. Juli 1875 verschrieb der seit 1872 als Augenarzt in Luxemburg etablierte Edouard ARENS (1846-1887) seinem (namentlich nicht genannten) Patienten Aloë-Tinctur, die in der Apotheke von François HELDENSTEIN (1820-1907) ausgegeben wurde. HELDENSTEIN hatte 1860 die Apotheke von François DARGENT (1805-1869) in Luxemburg-Eich übernommen. Um eine Verwechslung mit der althergebrachten Abkürzung gr für Gran auszuschliessen, schrieb CARY grm für Gramm - dem modernen, seit wenigen Jahren gebräuchlichen metrischen System der Dosierung! Einzige Wirksubstanz in diesem Rezept ist ein Extrakt aus Aloë: Die Aloe-Tinktur wirkt milder als Pulver oder Trockenextrakt. Die Tagesdosis beträgt 50 bis 200 mg Pulver. Das Besondere an diesem Rezept ist die Verwendung von Camp[her] - es gab keine "teinture d'aloës camphrée". Offenbar hatte ARENS mit seinem Apotheker ein Abkommen, sodass dieser wusste, wieviel von diesem Kampher er zugeben musste. Insbesondere im deutschen Sprachraum scheint diese Kombination klassisch gewesen zu sein:
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Apotheken-Rezept (8), 1941 |
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Am 27. Mai 1941 verschrieb Dr. Alfred WIROLLE (1893-1955) seinem Patienten H. Greiveldinger PUROSTROPHAN, ein orales Strophantinpräparat. Amüsant ist die empfohlene Dosierung: 3-4 Tage die Woche !!! Das erinnert mich an meine Mutter selig, die ihre Herztabletten nur bei herannahender Föhnfront einnahm: alte Praktiker rieten auch bei dem früher als Herzmittel viel eingesetzten Digitalis zu einer "Wochenendpause", aus Angst vor einer Überdosierung! Auf diese Art kam keine Vergiftung, aber auch nie ein wirklich ausreichender Wirkspiegel zustande ... Interessant ist das Rezept auch auf dem Hintergrund der aktuellen Bestrebungen, orales Strophantin von der Rezeptpflicht zu entbinden. Zur Geschichte des Strophantins (https://herzinfarkt.twoday.net/20050225/).
Der schottische Botaniker Dr. Johann Kirk, Begleiter David Livingstones auf einer Expetition in Süd-Ost-Afrika im Jahre 1859, hatte seine Zahnbürste eines Tages versehentlich in eine Tasche gesteckt, die mit pulverisierten Samen des Kletterstrauches Strophantus kombé verunreinigt war. Als Dr. Kirk, der an Angina pectoris litt, diese beim Zähneputzen unbemerkt mitbenutzte, spürte er erst einen bitteren Geschmack im Mund, und daraufhin verschwanden unmittelbar seine Herzbeschwerden.
Zur Geschichte der oralen Verabreichung des Strophantins
https://strophanthin.twoday.net/
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Arztbesuch, Anfrage (1) |
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Am 6. Januar 1903 schrieb Herr Schneidesch aus Bettemburg an den in der rue de l'Arsenal in der Hauptstadt etablierten Zahnarzt François WIRION (1877-1925) und teilte diesem mit, dass er am siebten bei ihm vorbeikomme und um einen "reservierten" Termin um viertel nach neun bitte ... Der resolute Ton des Textes ist etwas befremdlich. Eine Recherche zur Person des Patienten erbrachte die Erklärung für das etwas merkwürdige Benehmen: Jean-Nicolas Schneidesch war um die Jahrhundertwende Richter in Luxemburg.
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Arztbesuch, Anfrage (2) |
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5.1.07 7.4.17
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Arztbesuch, Anfrage (3) |
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Von allen Anfragen finde ich diese (12.7.1915) am allerkeckesten: eine Lehrerin teilt dem Arzt mit, dass sie mit dem Nachmittagszug 2.20 in Larochette ankommen wird. Den Fall gesetzt, er habe keine Zeit für sie, solle er es sie wissen lassen - bitte" ... Die Postkarte kam am Dienstag den 13.7. in Larochette an, vorgesehen war ein Termin am kommenden Donnerstag, folglich am 15 ! Kurzfristiger kann man sich nicht anmelden! Auch die Anrede ist für eine Dame ziemlich dreist "Monsieur".
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Arztrechnung (1): 1871 |
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Heutige Arztrechnungen müssen fein säuberlich chronologisch getrennt die tariflichen Leistungen auflisten - die Krankenkassen führen Buch (und Statistik) über jede Position. Als es noch keine Krankenkassen gab, da waren die Arztrechnungen bedeutend "bunter". Als Beispiel sei hier eine Rechnung des seit 1854 in Eich etablierten Arztes Edouard MAYRISCH (1825-1873) angeführt, die er am 31. Dezember 1871 an Charles Collart "industriel à Dommeldange" schickte - eine Sammelrechnung für das verflossene Jahr:
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Arztrechnung (2): 1879 |
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Am 1.1.1874 wurde Jean-Baptiste-Albert BIVORT (1830-1884) Kantonalarzt des Kantons Luxemburg als Nachfolger des am 21.6.1873 verstorbenen Eduard MAYRISCH. Auch im Haushalt Collart in Dommeldingen löste er Mayrisch ab. Vorgestellt wird eine Arztrechnung aus dem Jahre 1879, wiederum eine "Jahresrechnung", ohne Spezifizierung der geleisteten Dienste. Beachtenswert erscheinen mir
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Asthmatherapie (1) Inhalator |
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Asthma wird seit der Antike mit den unterschiedlichsten Mitteln behandelt. Weihrauch, Thymian, Stechapfel, Bilsenkraut... Anfang des 19. Jahrhunderts behandelte man mit sanfter Diät. Veilchentee, Ipecacuana-Pillchen, Massage an der Wirbelsäule entlang, den obligaten Aderlass mit Blutegeln, die am Anus und an der Vulva angesetzt wurden. Im Anfall wurde der Patient an ein Fenster geschoben, die Kleidung aufgeschnürt, alle überflüssigen Personen aus dem Raum entfernt. Man verpasste einen Einlauf mit Senne und Asa foetida, welches in einem Eigelb aufgelöst war. Gegen die Krämpfe flözte man Distillate von Carbo benedictus, Linden- und Orangenblüten ein.. Einige Tropfen Aether auf einem Stück Zucker waren manchmal hilfreich, ebensowie ein Ipecahuana als Brechmittel. Sauerstoff, im Luftgemisch oder pur, wurde verabreicht (zit. Dictionnaire des sciences médicales, Paris 1812) Erst 1914 gelang es dem Franzosen Fernand WIDAL (1862-1929), einen anaphylaktischen Mechanismus im Asthma darzulegen. Heute nimmt man an, dass Asthma eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege ist, die mit einer Überempfindlichkeit der Bronchien einhergeht. Was stand um 1911 an Medikamenten zur Verfügung ? Die "Neue Deutsche Klinik" von 1928 nennt zur Inhalation
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