Diverses


Fliegenfänger, Glas

um 1850 

Man nahm im Mittelalter an, dass Fliegen „de novo“ aus dem Dreck entstanden. Später wurde diese Ansicht zwar revidiert, mit Dreck aber hatten die Fliegen immer noch zu tun: sie übertragen Schmutzkeime auf Nahrungsmittel, an denen sich der Mensch infiziert: eine einzige Stubenfliege transportiert bis zu 5 Millionen Keime. Die Grosse Stubenfliege (Musca domestica), die Stallfliege (Musca stabulans) wie auch Stuhl- und Aas-besuchende Fleischfliegen (Sarcophaga spec.), Goldfliegen (Lucilia spec.), Glanzfliegen (Phormia spec.) sowie die Schmeissfliegen (Calliphora spec.) sind allesamt Vehikel für pathogene Keime (Typhus, Cholera, Ruhr, Salmonellosen, Kinderlähmung).

Wenn Fliegenklatschen, Vorsetzfenster von Gaze, mit klebrigen Stoffen überzogene Stöcke nicht halfen, musste die chemische Keule her:
- man mischte frisch gepflückten oder getrockneten Fliegenpilz mit Milch – die Fliegen tranken von der Milch, wurden von der Ibotensäure des Pilzes betäubt und liessen sich nun mühelos wegkehren…
- man befeuchtete Löschpapier mit arsenhaltigem Alkali, bestreute es mit Zucker und legte das so entstandene „Fliegenpapier“ auf einem Teller aus: die Fliegen, vom Zucker angelockt, starben an einer Arsenvergiftung.
- man kochte Quassienholz [Quassia amara L., dtsch „Fliegenholz“, „Bitterholz“] ab und vermischte den Sud mit Zucker, der die Fliegen in grossen Mengen anlockte. Dieses Gemisch zog die Fliegen zwar an und betäubte sie – das Töten aber musste man von Hand erledigen. Die Rinde des Bitterholzes wurde ab 1730 aus Südamerika (Brasilien, Guayana, Kolumbien, Panama) und Westindien nach Europa eingeführt (Amsterdam) - man benutzte die Bitterstoffe als Hopfenersatz in der Bierbrauerei, als Enzian- und Fieberklee-Ersatz. Der Absatz war so reichlich, dass die Kolonialmächte das Holz in Jamaika, auf Antigua, Guadeloupe, Martinique, Barbados, St. Vincent etc. anpflanzen liessen.

An den modernen Fliegenfängern, die man an die Zimmerdecke hängt, bleiben die Fliegen pappen; der Leim enthält vielfach ein Pherhormon (Muscamon) um die Fliegen anzulocken; zumeist enthalten sie auch Gifte (Azamethiphos, Dichlorphos), die den schnellen Tod der Fliege bewirken.

Weniger bekannt sind die Glasfliegenfänger [frz. „gobe-mouche“], in denen man ab dem 16. Jahrhundert, besonders aber im ausgehenden 19. Jh. die Fliegen einfing UND tötete. Durch den Flaschenhals gab man Wein oder Zuckerwasser in den inneren Ring des Gerätes, um die Fliegen anzulocken (besonders stark locken gelbe Lösungen!). Die Fliegen kamen durch die untere Öffnung (drei Glasklumpen hielten die Flasche in einer Höhe von 1 cm über der Tischplatte), die dann eingeschlossen wurden (der Flaschenhals war mit einem Korken, einem Glas- oder Stoffstöpsel verschlossen) und in der Flüssigkeit ertranken.

Es gab diese Fliegenfänger in unterschiedlicher Grösse und Farbe (farblos, flaschengrün), mit stuppigem oder lang ausgezogenem Halsteil, in Pressglas oder freihändig geblasen. Das hier vorgestellte Exemplar ist mundgeblasen - kleine Luftblasen im Glas und die exzentrische Bodenöffnung bezeugen die handwerkliche Faktur. Durchmesser 13 cm, Höhe 13 cm. Flaschenhals durch Schaftring verstärkt, Standknuppen angeblasen (vgl. Elisabeth Bennion „Alte medizinische Instrumente“, Sotheby 1979, S. 290).