Chirurgie


Werksspital (7) Niedercorn

 

Die bergrechtliche Gewerkschaft "Dannenbaum" wurde 1868 in Bochum gegründet zur Förderung der Steinkohle. 1873 wurde die Organisation in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und 1878 wieder zurück in eine Gewerkschaft. 1889 übernahm ein Konsortium des Bankhauses Rothschild die Zeche und brachte die Zechen "Prinz Regent", "Eulenbaum" und "Friederika" in die nun wieder als AG firmierende Gesellschaft "Dannenbaum" ein.
1899 ging die Gesellschaft auf die "S.A. des Hauts-Fourneaux de Differdange" über, und belieferte fortan die [1896 gegründete] Differdinger Schmelz mit Kohle.

Die zahlreichen Verletzten des Differdinger Werkes wurden 2 Jahre lang mit dem Pferdewagen nach Esch gefahren, wo sie im Spital der ARBED versorgt wurden - auf Dauer eine unhaltbare Situation. Die Differdinger Hüttenherren erwogen deshalb, vor Ort ein Hospital für ihre Arbeiter und Angestellte zu errichten. Direktor Max Meier von der „Deutsch-Luxemburgischen Hüttengesellschaft Dannenbaum“ fand in Niederkorn ein geeignetes Gebäude [das Haus des Gerbers Jean-Pierre Paquet, zu dem er gute Beziehungen pflegte, lieferte dieser Paquet doch das Spremgmaterial für die Grube]. Das Paquet'sche Haus wurde umgebaut, das Hospital konnte seine Tore am 5.4.1901 eröffnen.

Den aus Esch gut eingeführten Barmherzigen Brüdern von Maria-Hilf, den "Frères de Saint-Jean de Dieu", wurde die Verwaltung des Niederkorner Hauses übertragen. In den 50er Jahren machten sich Nachwuchsprobleme bei den Barmherzigen Brüdern bemerkbar. Als die Kongregation der Werksleitung die Absicht erklärte, die Brüder aus dem Niederkorner Spital abzzuerufen, bemühte sich Generaldirektor Chrétien persönlich mit großer Entschlossenheit um das Dableiben der Krankenbrüder - die Ordensleitung gab schließlich nach. So oblag die Pflege weiter den "Frères de la Charité", bis zum Juni 1974, als die Situation unhaltbar wurde. Die Brüder verliessen das Niederkorner Spital im Juni 1974, um nur noch in der ambulanten Krankenbetreuung aktiv zubleiben.

Wohl war das Niederkorner Spital nicht so geräumig wie dasjenige aus Esch, dennoch bot es 30-40 Kranken bequemen Platz. Das Ganze machte einen anheimelnden Eindruck. Besonders der Garten mit seinen plätschernden Wassern wurde von den Patienten viel aufgesucht. A propos Garten:
"Im Garten des hiesigen Spitals errichtet man zur Zeit ein Totenhaus. Dadurch wird einem ganz grossen Übelstande abgeholfen, denn die Leichen, die früher vom Hüttenwerk gebracht wurden, mussten mangels eines geeigneten Raumes zuerst im Keller geborgen werden, ehe man dieselben in einem schmalen Gang aufbahren konnte. Die Räume des Spitals erweisen sich als viel zu klein für die vielen Kranken, die zeitweilig dort untergebracht sind" (Luxemburger Wort vom 25.11.1905).

1906 wurde der seit dem Vorjahr in Differdingen niedergelassene Félix HESS (1878-1964) Chefarzt des Spitals.

"Differdingen, 20. Okt. Auf einer Grube des Hüttenwerkes Düdelingen wurde der Hauer J.P. Dury von einer Ramme überfahren. Der linke Fuss sowie ein Teil des Oberbeines wurde gänzlich zermalmt. D. wurde nach dem Krankenhaus in Niederkorn verbracht" (Ardenner Bauer vom 23.10.1912).

« Während dem Transport von belasteten Förderwagen wurde er [Johann Weyland] von einem nachfolgenden Waggon so heftig angestossen, dass er zu Boden fiel und der linke Arm ihm von einem Wagenrad abgefahren wurde. Er erhielt Aufnahme im Krankenhaus zu Niederkorn » (Escher Tageblatt vom 22.9.1913).

« Differdingen. ... Er [Kaspar Zimmer] stürzte aus einer Höhe von ca. 10 Meter von der Laufbühne herunter und zog sich einen Schädelbruch und einen Bruch des linken Oberbeines zu. Er wurde ins Hospital nach Niederkorn eingeliefert, wo er bald darauf an den erlittenen Verletzungen starb » (Escher Tageblatt vom 8.1.1914).

1918 wurde das Haus durch einen Brand schwer in Mitleidenschaft gezogen:
"Niederkorn, 14. Okt. Am Freitag Morgen gegen 4 Uhr entstand im Hüttenspital zu Niederkorn an dem neben der Hauskapelle gelegenen alten Flügel, wo die Kranken untergebracht sind, auf bisher unerklärliche Weise eine heftige Feuersbrunst, die sich über die ganze Seite bis zum Leichenhause ausdehnte. Die Kapelle sowie der Neubau des Krankenhauses konnten gerettet werden, während die bisherige Krankenwohnung zerstört wurde. Die Einrichtung des Operationssaales sowie des Röntgenzimmers konnte ebenfalls gerettet werden, während das auf dem Speichen in Folge des Neubaues aufbewahrte Bettzeug vollständig verbrannte" (Obermoselzeitung vom 15.10.1918).

1920 wurde das Spital von der Hüttengesellschaft HADIR übernommen. 1958 wurde dank großzügiger Kredite der HADIR neben dem Spital eine neue Kapelle eingerichtet, die am 4.3.1958 feierlich eingeweiht wurde. Diese Maßnahme sollte helfen, die Ordensbrüder am Wegzug zu hindern.
1967 wurde das Differdinger HADIR-Werk an die ARBED übergeben - so auch das werkseigene Spital, das am 31.7.1967 offiziell übergeben wurde; vier Jahre später, am 22.4.1971, reichte die ARBED das Haus an die Gemeinde Differdingen weiter. Die aber hatte für ein derartiges Spital keine Verwendung! Am 6.6.1978 wurde der Klinikbetrieb eingestellt.

Ab Januar 1979 wurde in dem "Aale Spëdôl" ein Pflegeheim eingerichtet, doch war das vetuste Haus auch für diese Verwendung ungeeignet - der Betrieb wurde 1982 eingestellt, nachdem man die letzten Insassen in das [durch den Umzug des Differdinger Spitals in das "Hôpital Marie-Astrid" von Niederkorn freigewordene] alte Differdinger Spital verlegt hatte. Das Haus in der avenue de la Liberté wurde am 16.6.1986 abgerissen. An seiner Stelle wurde eine verkehrsgerechte Straßenkreuzung angelegt, an der der Weg ab zum neuen "Hôpital Marie-Astrid" abzweigt. Nur das stählernes Denkmal "Orgel" von René Goerres erinnert an die einstige Klinik...

Lit.:
Nicolas Kremer, E Liewe fir déi aner, die Barmherzigen Brüder in Luxemburg, in: Letzebuerger Sonndesblad no.51 (16.12.1951) S. 601, 612, 625.
M.M., Spital Niederkorn, in: Revue n°12 vom 22.3.1958.
R. Zenner, Vor hundert Jahren ... in: L.W. vom 14.4.2001.