Paediatrie


Tragen der Kinder (3), Steckkissen

 

Der historische Vorläufer des heutigen Pucksacks ist das so genannte Steckkissen, ein gepolsterter Sack mit Kissen als Kopfauflage, bei dem die Arme frei blieben. Einer französischen Überlieferung zufolge wurde das Steckkissen im frühen 17. Jahrhundert in Frankreich erfunden:
„Lange bevor die ersten Kindergefährte die Straßen bevölkerten, sorgte ein Zufall dafür, dass ein Steckkissen erfunden wurde, das heute noch in abgewandelter Form als Fell- oder Fußsack für den Kinderwagen bekannt ist. Im Jahre 1602 begab es sich, dass König Henri IV. nach der Amme rief, damit sie ihm seinen Sohn brächte. Die Kinderfrau erschien mit dem kleinen Louis XIII., der auf ein reich verziertes Kissen gebettet war. In dem Moment, als der König sich hinunterbeugte, um seinen Sohn zu küssen, rutschte der kleine Nachwuchs von dem Kissen und plumpste unsanft auf den Boden. Zutiefst erschrocken ordnete Henri IV. daraufhin an, einen Streifen Samt, ähnlich einer Tasche, am Kissen festzunähen. Dort wurde der Kleine von nun an hineingesteckt und war nun vor Abstürzen besser geschützt. Die praktische Idee des Herrschers verbreitete sich schnell und war bald schon in bürgerlichen Haushalten zu finden.“
(https://www.schlawiner.biz/downloads/leipzig_2006_10_20_40.pdf).

Am preussischen Hofe finden wir das Steckkissen 1712 wieder:
„Das Kind in seinem Steckkissen trug er [Friedrich der Grosse] an seiner Seite, schon den schwarzen Adlerorden und ein Krönlein auf dem Haupte. Man erzählt, daß sechs Gräfinnen die schwere Schleppe seines Taufkleides trugen, eines Kleides von reichem Silberbrokat, mit Diamanten besetzt. Der königliche Großvater selbst hielt den kleinen Prinzen über die Taufe.“
(https://www.jadu.de/berlin/fdg/)

Im Frühbarock feierten Steckkissen Hochkonjunktur.
„Säuglinge wurden zur damaligen Zeit in viel zu enge Steckkissen gepresst, denn es wurde auch bei Säuglingen nicht vor dem Grundsatz Halt gemacht, dass die Menschen in jeder Lage Haltung zu bewahren hatte. Die Entwicklung des Knochengerüsts wurde dadurch stark beeinträchtigt, wenn nicht sogar fehlgelenkt“
(https://www.g-stein.com/allgemein/Barock-Referate/maennermode-ruester.htm).

Im 19. Jahrhundert fand man das Abstützen der Kinder in diesen Tragekissen immer noch für hilfreich:
„Sogenannte Steckkissen oder Tragekissen sind vollkommen ausreichend, das Kind zu stützen; darauf soll das Kind 3 – 4 Monate meist horizontal getragen werden“
(Journal für Kinderkrankheiten, Bd. VI, Berlin 1846 S.277 ).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Steckkissen immer noch geläufig. Eines der 1937 als „entartet“ beschlagnahmten Gemälde von Otto Dix (1891-1969) „Kind im Steckkissen“ aus dem Jahr 1932 kann nun als Leihgabe aus der Nationalgalerie Berlin für die Dauer der Ausstellung erstmals in Dresden gezeigt werden....

Psychologen und Orthopäden waren später ganz und gar nicht begeistert über das Einzwängen der Kinder in diese Kissen:
„Der Vergangenheit gehören zum Glück die so genannten Steckkissen an, in denen die Kinder kaum Bewegungsfreiheit hatten“
(https://www.fuldaerzeitung.de/newsroom/kinzigtal/dezentral/kinzigtal/art14187,561982).

Heutzutage sind Taufkissen daher aus der Mode gekommen. Hier der Bericht einer jungen Mutter, die sich mit den antiquierten Vorstellungen ihrer Schwiegermutter herumschlägt:
„Johanna hatte an ihrer Taufe ein süßes weißes Kleidchen an mit einer Pumphose und eine tolle Mütze. meine Schiwegermutter wollte sie in so ein Taufkissen stecken... das hätte sie wohl gern gehabt und ich das Geschrei meiner Tochter“. (https://www.leben-und-erziehen.de/beitrag/Taufkleid-ja-oder-nein/23120/1);

Österreichisch : Wickelpolster
Deutsch : Steckkissen, Bindsack, Tragbettchen.

Vorgestellt werden zwei Steckkissen (linkes Bild) aus Ostdeutschland, die um 1936 bei Kindstaufen benutzt wurden. Eines der Kissen wurde geknöpft, das andere mit Schleifchen verschlossen. Das rechte Bild zeigt das auseinandergefaltete Kissen.
Mein Dank geht an die Familie S.Fritz in Chemnitz, die mir diese Kissen für die Ausstellung (Musée Sybodo) im Hôpital Kirchberg/ Luxemburg geschenkt hat.