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Adenotom n. LA FORCE

Laforce
 

 

     "Der Kopenhagener Arzt Hans Wilhelm MEYER (1824-1895) war der erste, der 1868 eine präzise Beschreibung der Rachenmandel lieferte. Er beschrieb anhand von zahlreichen Fällen die Zeichen und Symptome einer Hyperplasie der Rachenmandel so präzise, daß sie für jeden zu diagnostizieren waren. Er beschrieb eine Methode zur Adenotomie mit Hilfe eines Ringmessers, und erkannte auch die günstigen Folgen der Adenotomie für die Nasenatmung und für die Belüftung des Mittelohres. Zu seinen Ehren wurde 1898 auf dem Gefionplatz in Kopenhagen eine Statue errichtet".
hno.org/info/geschichte_hno.html

 

Die Rachenmandeln (Adenoïde) liegen weit hinten im Rachendach - am Übergang von der Nasenhöhle zum Rachen. Rachenmandeln und Gaumenmandeln sind als Teil des lymphatischen Rachenrings unter anderem für die Erregerabwehr und die Immunabwehr in dieser Region verantwortlich. Entsprechend häufig sind sie entzündet und sollten entfernt werden.


Rachenmandeln werden heutzutage in Vollnarkose entfernt, den entsprechenden Eingriff nennt man Adenotomie - das tägliche Brot der HNO-Fachärzte. Die Ausschälung wird über den mit einem Mundsperrer geöffneten Mund mit einem speziellen Instrument vorgenommen - dem Adenotom. Eine Wundnaht erfolgt bei dem nur wenige Minuten dauernden Eingriff nicht - daher die Gefahr von Nachblutungen.

 

 

Burdette Dudley La Force (1869-1947)

Geburt am 7. Aug. 1869 in Mount Pleasant,

Gest. 13. März 1947 in Pasadena

"Die Spuren von Burt D. La Force sind nur mit Mühen zu finden. Es gibt eine dünne Zweizeilenmeldung von Emil Meyer im Internationalen Centralblatt für Laryngologie und Rhinologie und verwandte Wissenschaften (1908, Band 24 S.404), herausgegeben von Sir Felix Semon, London, dass am 14.1.1908 ein gewisser Burt La Force ein neues Adenotom vorgestellt hat und zwar im Journal of the American Medical Association. (Zitat: „Das in drei Größen angefertigte Adenotom ist mit einer Vorrichtung versehen, die es verhindert, dass das abgeschnittene Stück herunterfällt“). Die zweite Spur ist ein via Internet aufzufindendes winziges Grabschildchen in einer Urnenwand eines Friedhofes. Zusätzlich findet sich ein Nachruf vom 14. März 1947 in der Burlington Hawkeye Gazette, nach dem La Force ein Augen-, Ohren-, Nasen- und Rachenspezialist in Burlington, Passadena, Kalifornien, war, der am 7.8.1869 in Mt. Pleasant geboren worden war. Das Adenotom von La Force war bei den zeitgenössi-schen Operateuren äußerst beliebt, da bei der im Sitzen (auf dem Schoß der Krankenschwester) durchgeführten Adenotomie die Gefahr bestand, dass resiziertes Gewebe verschluckt oder aspiriert wurde. Das Mantelgehäuse der „Guillotine“ war mit dem Auffangsieb sehr sinnvoll konstruiert. Bis vor wenigen Jahren wurde das La-Force-Adenotom noch in jedem HNO-Instrumentenkatalog aufgelistet. Heute ist es genau wie das Tonsillotom von Fahnestock ein medizinisches Souvenir, das in die Vitrine gehört und nicht auf den Schrottplatz" (Wolf und Christian W. Lübbers, Historische HNO-Instrumente und ihre Namensgeber, Teil 2, in: HNO-Nachrichten 2013; 43 (4)).

 

 

Exponat 

Von einem Flohmarkt in München (Olympiapark) 9/2018 stammen 2 weitere Modelle n. LAFORCE:

- kleines Modell einer Fa. BUCHER, Messer nicht gelocht. Mandelkörbchen kann nicht geöffnet werden

- größeres Modell der Fa. H. PFAU (Heinrich Pfau, Wanfried). Messer (N°3) mehrfach klein gelocht. Mandelkörbchen verfügt über eine Spiralfeder und kann händisch geöffnet werden.





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Biopsiezange n. CHATELLIER

 

Die beiden hier vorgestellten Biopsiezangen (unterschiedliche Stärke des Bisses) stammen aus der „Metzer Wunderkiste“. Es handelt sich um sog. „Pinces de CHATELLIER“, mit denen man Nasopharyngeal-Polypen abknipste, um sie der histologischen Begutachtung zuzuführen … (vgl. Katalog Berg S. 302).

Henri CHATELLIER unternahm 1887 eine Reise nach Heidelberg, Halle, München, Wien und Prag, um dort den Unterricht in Otorhinologie und Laryngologie zu studieren. 1891 war er Gründungsmitglied der französischen "Société d'otorhinologie". Er schrieb:
- Tumeurs adenoïdes du pharynx, Paris, Baillière, 1886.
- Maladies du pharynx nasal. Des Tumeurs adénoïdes. Paris, J.-B. Baillière et fils, 1890

Definition
Hyperplasie der Rachenmandel infolge chronischer Entzündung (z.B. Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Streptokokken der Gruppe A, Viren); dadurch bedingt z.B. chronische Mundatmung, Schnarchen, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, Paukenerguß, rezidivierende Infekte, sinu-bronchiales Syndrom, Rhinophonia clausa.
Notwendige Untersuchungen

  • Inspektion (Facies adenoidea, Naseneingangsekzem)
  • Palpation (Halslymphknoten, auch nuchal)
  • HNO-Status (Zahnfehlstellung, Malokklusion, hoher Gaumen, Tonsillenhyperplasie)
  • Ohrmikroskopie (Seromukotympanum)
  • Hörprüfung (Tympanometrie, evtl. Audiogramm)
  • Blutungs- und Gerinnungszeit (präoperativ)

    Im Einzelfall nützliche Untersuchungen

  • Endoskopie, evtl. transnasal mit starrer Optik oder flexibel (bei Kleinkindern oft nicht möglich): Nase, Nasopharynx
  • Ggf. digitale Untersuchung (Ausschluß: submuköse Gaumenspalte, juveniles Angiofibrom, Malignom)
  • Biopsie (Cave: juveniles Angiofibrom)
  • CT /MRT Schädel, ggf. Angio-MRT oder DSA: bei Tumorverdacht
  • Kompletter Blutungs- und Gerinnungsstatus (präoperativ)
  • Interdisziplinäre Untersuchungen (Phoniatrie u. Pädaudiologie, Kieferorthopädie, evtl. Pädiatrie)

    Therapie
    Konservativ

  • Nur sinnvoll präoperativ, z. B. bei akuter Rhinosinusitis oder Operationskontraindikation, z. B. Gaumenspalte (Antibiotikum, Mukolytikum, abschwellende Nasentropfen)
  • Besonders strenge Indikation bei Gaumenspalte Operationsindikationen / (-prinzipien)
  • Grundsätzlich jede Adenoidhyperplasie mit Symptomen oder Komplikationen und bei obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (Adenotomie, ggf. mit Parazentese und/oder Tonsillektomie).

    Ambulant / stationär
  • Adenotomie ohne/mit Parazentese und/oder Paukenröhrchen ambulant bei Fehlen von Risikofaktoren, anderenfalls stationär
  • Bei Kombination mit Tonsillektomie immer stationär.

 

© 2008 Dr. André Kugener
Kontakt: henri @ kugener.com (Leerzeichen löschen)
 




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Blutstillende Watte

CLAUDEN-Watte 

 

 

Um 1871 entfettete der Tübinger Internist Karl EHRLE (1843-1917) [der Erfinder des Maximal- thermometers] Baumwolle, und durchtränkte sie mit Eisenchlorid. Diese Watte wurde als "Dr. EHRLE'sche blutstillende Charpie" von der Schaffhausener Firma Bäschlin produziert und in den Handel gebracht - durchsetzen konnte sich das Produkt nicht: das Aufbringen der Watte war schmerzhaft, die Haut wurde derart verätzt, dass die Wundheilung verzögert ablief..

 

Eine verbesserte Verbandswatte wird seit etwa 50 Jahren durch ein Spezialverfahren mit Claudenpulver, Clioquinol und Glycerol 85% imprägniert. Die mit Claudenpulver und - je nach Darreichungsform - anderen Substanzen imprägnierten Verbandmittel verhindern das Verkleben mit dem Wundgewebe. Clauden-Pulver ist ein Konzentrat aus defibriniertem Kälberblut von Kälbern, die nicht älter als 6 Monate sein dürfen. Da Clauden-Pulver ein Eiweiß- konzentrat ist, wird es mit Clioquinol konserviert.

 

Die Verband-Watte besteht aus 50% Baumwolle und 50% Viskose. Das Clauden-Pulver verhindert das Verkleben der Watte mit dem Wundgewebe. Es handelt sich um ein Konzentrat aus defibriniertem Blut von Kälbern, die nicht älter als 9 Monate sein dürfen. Das Herstellungsverfahren des Clauden-Pulvers (Säure- und Hitzebehandlung) und die Dampfsterilisation der Darreichungsform schließen das Vorhandensein von Viren und Bakterien aus. Seit dem Skandal mit BSE wird Clauden vorsichtshalber aus Lungengewebe (von Schweinen) hergestellt.

 

Banale Sickerblutungen aus Hausabschürfungen können mit Clauden-watte abgedeckt werden. In der Veterinärmedizin wird die Watte benutzt für blutende Brüche von Schnabel- und Krallenhorn. Der Inhalt des hier vorgestellten Röhrchens diente möglicherweise der Austamponierung der Nase bei Epistaxis.

Nota: bei bekannten Allergien auf Chinolin u. dessen Derivate, sowie bei Jodüberempfindlichkeit sollten Clauden® Verbandstoffe nicht angewandt werden. Kontraindiziert sind die Claudenpräparate des weiteren bei Rindereiweißallergie, bei vorliegender Schwangerschaft und in der Stillzeit

 

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Blutstillungssonde n. BELLOC

 

Zur Stillung des Nasenblutens ("epistaxis") erfand der französische Arzt Hippolyte BELLOC(Q) (1732-1807) eine Sonde, die er durch die Nase bis zum Anschlag an die hintere Rachenwand einführte, sie ein klein wenig zurückzog und dann einen Mandrin vorschob, eine elastische Feder, die sich im Rachen ausrollte. Am äussersten Ende trug sie eine Kugel aus Metall, die man mit einer Greifzange durch den Mund fassen und vorziehen konnte, einen daumendicken Tampon daran befestigte, an der Sonde zog, um den Tampon hinten gegen die Choanalöffnung zu pressen, während man mit einem zweiten Tampon ein Selbiges mit der äusseren Nasenöffnung tat, um die Blutung so zwischen beiden Tampons zu tamponieren....

Das Gerät war noch Mitte des 20. Jh. im Gebrauch.


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Climamaske von HICO

Climamaske
 

Dank Anschluss an das städtische Stromnetz können moderne Masken die Wirkung der inhalierten Öle (Kamomille, Pinie etc.) durch eine trockene, wohlige Wärme unterstützen.

 

Auf den Erkenntnissen aufbauend dass Wärme bei Erkrankungen der Atemwege gute Erfolge zeigte, entwickelte der deutsche Arzt Dr. med. H. DOBBELSTEIN in Zusammenarbeit mit der Kölner Firma Hans HIRTZ & CO. in den Jahren 1956/57 die ‘Warmluft-Inhalation’ mit der Climamaske. Mit ihr wurde es möglich, Wärme wahlweise regelbar zwischen 40° und 65° C direkt an die Atemwege heranzubringen.

 

Im September 1958 hat Dobbelstein im Therapiekongress in Karlsruhe einen revolutionären elektronischen Inhalator präsentiert, von dessen spektakulären Erfolgen von der medizinischen Zeitschrift von München berichtet worden ist. Regulierbare Temperatur, einfacher Apparat, praktisch und wirksam – es erlaubt jedem die Kur bequem zuhause anzuwenden.


Nach Dobbelstein schafft die trockene und erwärmte Luft bei einer Temperatur, die höher ist als die Bluttemperatur (37°), eine beträchtliche Minderung von Streptokokken, Mikroben, die für die Mehrzahl der Atemwegs-erkrankungen verantwortlich sind. Dagegen erleichtert die warme, feuchte Luft die Vermehrung dieser Mikroben. Die längere Inhalation warmer, trockener Luft bringt diesen Krankheitserregern eine schädigende Atmosphäre. Ihre Wirkung wird gemildert und, zerstört durch die Behandlung, sie verschwinden unverzüglich. Diese Desinfektion der Atemwege wird verstärkt durch die Inhalation einer Balsam-Essenz, speziell entworfen für dieses Gerät. Die erhaltenen überraschenden Ergebnisse seit den ersten Versuchen erlaubten, nach 2 Jahren Erfahrung in Deutschland, Schweiz und USA, alle nützlichen Beobachtungen zu machen und Regeln zum Gebrauch einzuführen

 

Die Wirkung der Substanzen konnte verstärkt werden durch CORIFIN der Bayer-Werke/Leverkusen, einem starken Antiphlogistikum, das bei chronischer Bronchitis und Raucherhusten indiziert war.

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Halskrause

Halskrause
 

 

   Vorgestellt wir eine nicht häufig anzutreffende Halskrause aus Zinkblech, eine sog. "Überall-Flasche". Anstatt ihn mit wärmem Wasser zu füllen, konnte man auch kaltes Eiswasser einfüllen, wenn man den Hals abkühlen wollte – wie dies bei akuter Angina und bei Diphtherie durchaus sinnvoll sein kann. Durch Kälte  ziehen sich die Blutgefäße zusammen, das Wundgebiet schwillt weniger an.

 

Von Vorteil ist die Kühlung auch nach Mandeloperationen, weil die Wunde weniger blutet und der Schmerz etwas betäubt wird.

 

Erfinder: Leupold ? (Ingenieur, Zwickau)

Produktion: Mitteldeutsche Metallwarenfabrik Erich Frank (Glauchau) um 1940.

Entstehungsland: Deutschland Entstehungsort: Glauchau

Maße Flasche zusammengelegt: Höhe: 4 cm Breite: 12 cm Länge: 16 cm

Auf beiden Scharnierflächen ist der Schriftzug: "DRP u. AUSL. PATENTE" eingraviert.

 

Herkunft: Raum Augsburg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lit.:

ASTA-Werke AG, Die Wärm-Flasche, Walter Rau Verlag, Düsseldorf, ca. 1932.

Beard, Charles R., Chafing-balls and Hand-warmers, 1940.

Feldhaus, Franz Maria, Die Geschichte der Wärmflasche: eine kulturhistorische Plauderei, Verlag der

        Krausswerke 1923.

Huber Georg, Wärmflaschen, Wärmesteine und Wärmepfannen – die Geschichte der Wärmespender von 1500 bis

        heute. Verlag Husum 2000.

Krauss, Friedrich Emil, (Studienarbeit - an der TU Chemnitz).

Löscher, Susanne, Die Krauß-Werke und ihre Werbung, über die Krausswerke in Schwarzenberg und Neuwelt, ab

         1887-1992, 2008.

Nobel, Arend de, Van beddensteen tot beddenkruik. De ontwikkeling van de beddenkruik vanaf de 16e eeuw tot

       2000, 2009.

Philippovich, Eugen von, Wärmekugeln–Kühlkugel, in: Handbuch für Sammler und Liebhaber, Verlag Klinkhammer

       & Biermann, Braunschweig. 1966 (S. 226 - 233).

Siegfried, Karl, Die Wärmflasche als guter Hausgeist, Verlag der Krausswerke Schwarzenberg, SA., 1924.

Wich Franz, Das große Buch der Wärmesteine: Der Serpentin vom Peterleinstein und aus Zöblitz, Projekte-Verlag

        2009.

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Hörbrille

Hörbrillen
 

 

   

An einer Hörbrille waren Brillenträger zunächst interessiert in dem Glauben, es brauche nichts mehr in das Ohr gsteckt zu werden. In den Jahren 1950 bis 1970 kam als erstes die Zweibügelbrille auf den Markt. Die Brillenbügel waren wegen der Größe der Einbauteile recht klobig. Die Verstärkerteile mußten aus Platzgründen auf beide Bügel verteilt werden. Eine Seite wurde mit Mikrofon und Vorverstärker bestückt, die andere Seite nahm Endverstärker, Hörer und Batterie auf. Die Verbindung beider Seiten erfolgte über den Mittelteil der Fassung und die Scharniere. Aber Leitungsbruch und Oxydation an den Scharnieren waren nicht selten. Freilich wandelte sich die Hörbrille im Laufe der Jahre zu einem eleganten Utensil.

 

Mit Aufkommen der IO-Geräte verlor die Brille an Bedeutung. In Hörgeräteläden wird sie nur noch selten angeboten und noch seltener verkauft - wenn überhaupt, dann an Kinder. Das war in den 1960er Jahren noch ganz anders ...

 

 

Zum Schmunzeln

"Mein Mann ist schwerhörig und trägt eine Hörbrille. Jedesmal, wenn wir Meinungsverschiedenheiten haben und ich ihm meinen Standpunkt klarmachen möchte, nimmt er sie ab und putzt umständlich die Gläser!"

 

Exponat

Hörbrille REXTON MC-CE 13

Entwurf: 1961.

Siemens übernahm in den achtziger Jahren das Unternehmen Rexton International.

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Hörgerät (1)

Hörgerät, 1905

 

  1901 erfand der amerikanische Ingenieur Miller Reese HUTCHINSON (1876-1944) ein elektrisches Hörgerät [engl. hearing aid; frz. appareil auditif] mit dem bis zu drei Personen zugleich beidohrig hören konnten. Das schwere Tischgerät wies sogar einen Audio-Eingang für einen Phonographen auf! Ab 1902 kamen "leichtere" Geräte in den Handel. Verstärker und Batterien mussten um den Hals gehängt werden, während man das Mikrophon in der Hand hielt, um richtig zu hören. Menschen mit diesen Hörgeräten müssen viel Aufsehen erregt haben. Zudem war die Größe des Mikrophons je nach Ausmaß des Hörverlustes unterschiedlich groß, so dass eine Person mit starkem Hörverlust gezwungen war, für das Hörgerät ein großes Mikrophon zu benutzen. 

 

 

Exponat

Deutsche Akustik Gesellschaft, Berlin-Reinickendorf-Ost. Model CII (1905). Der in der Hand gehaltene "Kopfhörer" enthielt 2 Karbon-Mikrophone und (auf der Rückseite) einen Hörer. Mit dem auf dem Tisch (!) stehenden 4-Stufenregler ließ sich die Lautstärke anpassen.

"The General Acoustic Company made this hearing aid. It has patent dates of Oct. 28, 1902, Feb.12, 1907 and Feb. 19, 1907".

Unser Gerät stellt eine Weiterentwicklung dieses Basismodells dar da der Kopfhörer voneinem Kopfbügel gehalten war. Das Gerät verfügt über einen Bügel, der über den Kopf getragen wurde, um die Hörmuschel festzuhalten - ein deutlicher Hinweis auf die Entwicklung des Gerätes aus der Telefonie. Es stammt aus einem namentlich nicht bekannten luxemburger Haushalt, erworben am 29.5.2005 auf einem Steinforter Trödelmarkt.

 

(Die "Originalverpackung" der Filature & Filteries Réunies von Alost/Belgien hat mit dem Hörgerät nichts zu tun. In ihr wurde ursprünglich Nähgarn verkauft. Per Zufall der verstaute der Verkäufer das Hörgerät darin).

 

Lit.:

Berger, K.W., 1980, History and Developpement of Hearing Aids, in POLLACK, M.C. and coll. (eds.) Amplification for the Hearing-Impaired, 2nd edition, New York, Grune & Stratton Inc, 1-17.

 

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Hörgerät (2)

Siemens, Modell Variabel, um 1950 

 

 

  Die Erfindung des Transistors im Jahre 1947 revolutionierte die Technologie der Hörgeräte. Bis dahin wurden Röhren in Hörgeräten verwendet, der ab 1952 im Handel auftauchende Transistorverstärker war den Röhren deutlich überlegen. Die ersten Hörgeschädigten, die zu den neuen transistorgetriebenen Hörgeräten wechselten, mussten diese am Körper tragen - 1950 waren die Hörgeräte noch immer so groß wie eine Schachtel Zigarillos.

 

Tragbare, aber immer noch unhandliche Hörgeräte fanden nach diversen Verbesserungen bis weit in die fünfziger Jahre Anwendung. 

Der Kopfhörer war in der Praxis eine Zumutung für alle Beteiligten - um 1925 wurde daher die ohrgerechte Pass-Form des Kopfhörers entwickelt.

 

Die elektrischen Hörgeräte haben in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung durchlaufen, die von den Fortschritten der Mikroelektronik begünstigt wurde. So kam es zur Miniaturisierung der Bestandteile unseres Hörgerätes: das in den äusseren Gehörgang eingeführte Minigerät, bestehend aus Mikrofon und Hörer in einem, musste anfangs zwar noch durch eine in der Tasche getragene Trocken-batterie mit Strom versorgt werden - doch welch eine Platzersparnis im Vergleich zu den Vorgängermodellen!

 

Exponat

Hörgerät der Fa. Siemens aus den 50er Jahren

 

Erst die Entwicklung kleinster Batterien erlaubte in der Folge das Zusammenfassen der einzelnen Bausteine (Batterie, Hörgerät, Ohrteil) zu einem einzigen Gerät, das im Ohrkanal oder als „Hinter-dem-Ohr“-Gerät getragen werden kann: 1963 wurden Hörgeräte so klein, dass sie direkt hinter oder über dem Ohr Platz finden konnten. Diese kleinen Geräte bewirkten, dass Menschen mit Hörproblemen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erregten.

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Hörgerät (3)

Horapparat
 

Herstellerfirma: die MGF

Auf dem Grundstück Chausseestraße 42 befindet sich eine 1910 nach Entwürfen von Max Richter errichtete Fabrikanlage, die seit etwa 2004 leersteht. In diesen Gebäuden gab es in den 1950er Jahren die Medizinische Geräte-Fabrik (MGF). Anschließend produzierte hier in der DDR-Zeit der zum VEB Kombinat Mikroelektronik Erfurt gehörende Betrieb Secura Kassen- und Vervielfältigungstechnik. Nach der Abwicklung des Betriebes nutzte ein türkischer Verein einige Jahre den Verwaltungsbau. Der Verein hatte eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Hotels beantragt, legte die Planungen jedoch bis in die 2010er Jahre auf Eis. Seitdem die neue BND-Zentrale gegenüberliegend fast fertig war, wurde hier nun ein Titanic-Hotel errichtet.

 

"Das Acousticon. Der originale elektrische Hörapparat für Schwerhörige in 48 verschiedenen Stärkegraden. Ärztlich empfohlen. Garantiert kein Nebengeräusch. Prospekte und Vorführung auf Verlangen kostenlos und unverbindlich General Acoustic Company, Wien VI, Mariahilferstrasse 105" (Neue Freie Presse, 11. Mai 1913).

 

 

Exponat

MGF-Gerät der Berliner Fa. "Medizinische Gerätefabrik", um 1920/30. Hörgerät PKF (Etikett Verpackung). Gerät mit "Ohrstöpsel"-Hörer. Gleiches Gerät in Berlin im "Museum of Medicine". Insgesamt 3 Oliven, für jede Form des äusseren Ohrkanals ein eigenes Design ... (2 liegen frei, die 3. ist aufgeschraubt).

Betrieb mit 4,5V-Batterie.

 

Zur Datierung: https://www.radiomuseum.org/r/mgf_medizi_hoerapparat_hoerhilfe.html meint 1920 mit 2 ?

 

Herkunft: Flohmarkt Hafen/Innsbruck 10/2018.

 

Ähnliche Modelle wurden hergestellt bei J-H-Niesman in Antwerpen.

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Hörrohr

P1000502

 

 

 

- Der römische Arzt ARCHIGENES (2. Jh.n.Chr.) erwähnte ein Hörrohr als Mittel gegen Schwerhörigkeit, ebenso der griechische Arzt Alexander von TRALLES (5. Jh.n.Chr.).

 

- Eine mittelalterliche Miniatur aus dem 12. Jahrhundert zeigt König Artus mit einem Hörrohr bei der Jagd.

 

- "Das Hörrohr, das bisher als eine Erfindung des 17. Jahrhunderts galt, ist bereits von Leonardo angegeben und beschrieben, indem er dabei zunächst ein Blasrohr verwendete" (Luxemburger Wort, 2.11.1913).

 

- 1613 wurde erstmalig ein Hörrohr erwähnt: der italienischer Handwerker Paolo APROINO (1586-1638) rühmte sich, der Erfinder zu sein. Der italienische Dichter und Rechtsgelehrter Joh. Bapt. LALLI (1572-1637) aus Nurcia benutzte ein derartiges silbernes Hörrohr. In der Renaissancezeit wurde sein Hörtrichter wiederentdeckt und nachgebaut – teure Einzelanfertigungen aus Kuhhörnern oder aus Metall.

 

- 1650 beschrieb der Jesuit Athanasius KIRCHER (1601-1680) eine von ihm gebaute Hörmaschine, die 1673 in seinem Buch „Phonurgia nova sive conjugium mechanico-physicum artis & naturae paranymta phonosophia concinnatum“ abgebildet ist: eine Art hohle Zigarre, die zwischen Redner und schwerhörigem Zuhörer aufgestellt wurde.

 

- um 1700 baute der  Blasmusik-Fabrikant William BULL "trumpet maker to his Majesty" als erster Hörrohre in Serie.

 

- die erste wirklich kommerzielle Produktion von Ohrtrompeten wurde 1800 von Frederick C. REIN in London gegründet. Noch um 1900 benutzte man seine Schalltrichter.

- 1812 bis 1814 fertigte der aus Regensburg stammende Johann Nepomuk MÄLZEL (1772-1838) Hörrohre für Ludwig van Beethoven an. 

 

Hier die Lage nach dem 1. Weltkrieg:

"Kann Schwerhörigkeit durch Apparate verbessert werden? Der Weltkrieg hat das Heer der Schwerhörigen und Tauben um ein beträchtliches vermehrt und die meisten von diesen werden wohl schon vor der Frage gestanden haben, ob ihnen etwa durch einen der verschiedenen, oft in marktschreierischer Weise, in den Zeitungen angepriesenen Apparate geholfen werde könne. Es ist ohne weiteres verständlich, daß das scheinbar gleichartige Symptom der Schwerhörigkeit, da es einer Reihe verschiedener anatomischer und physiologischer Ursachen entspringt, durch keinen Apparat gleichmäßig zu beheben sein wird, es können durch künstliche Apparate nur die Bedingungen der Schallzuleitung verbessert werden. Am längsten sind Hörrohre zur Verbesserung des Gehörs bekannt und in weitester Verbreitung im Gebrauch. Bei der Fortpflanzung des Schalles durch Röhren nimmt seine Intensität nur minimal ab, der durch eine Röhre dem Ohr zugeleitete Schall tritt dasselbe fast mit derselben Intensität, als wenn der Schall unmittelbar am Ohr erzeugt wäre; die konische Form des Rohres begünstigt die Sammlung und Verstärkung der Schallwellen. So gibt es eine Reihe von Hörrohren verschiedener Form, für deren Auswahl rein subjektive Gesichtspunkte maßgebend sind. Sie dürfen nicht benutzt werden, wenn durch sie Ohrensausen erzeugt oder vorhandenes gesteigert wird. Die größte Rolle in den Ankündigungen spielen wohl die sogenannten "unsichtbaren Hörrohre": geschickt wird hierbei auf die Eitelkeit der Schwerhörigen spekuliert und nicht ohne Erfolg. Ihr Wert soll einmal in der UnauffäIIigkeit, dann aber auch in der Sammlung und Verstärkung der Schallwellen liegen. Als Hörapparate sind sie nicht anzusprechen, denn selbst der Laie muß sich sagen, daß die kleine Oeffnung nur wenig Schall sammeln und die Kürze denselben in keiner Weise verstärken kann. Durch die Einführung solcher Gehörpatronen können unter Umständen Verletzungen enstehen, die sehr gefährlich und bösartig werden können. Auch Hörapparate größeren Stils sind auf dem Markt erschienen, deren Wert bei genauer Prüfung durch Fachmänner sich als höchst zweifelhaft erwiesen hat, indem sie keine wesentlich bessere Hörvermittlung schafften, als die Höhrrohre solider Firmen. So wurden sogenannte Akustik-Apparate in den Handel gebracht, welche auf dem Prinzip des Mikrophons und Telephons beruhen. Derartige Apparate bestehen aus einer isolierten Sprechvorrichtung, die durch Kupferdraht mit einer elektrischen Taschenbatterie verbunden ist: Von der Sprechvorrichtung geht die Leitung zu den Hörballons, die innen eine Membran haben, deren Schwingungen dem Hörer mitgeteilt werden. Die verschiedensten Versuche haben in seiner Weise den Erwartungen und Besprechungen entsprochen; Tatsache ist, daß sie den Schall zu verstärken vermögen und auch Gespräche leiten, die nicht direkt in die Sprechvorrichtung gesprochen werden, aber sie verstärken auch alle Nebengeräusche, welche den Schwerhörigen derartig verwirren können, daß er ihn nicht selten wieder aufgibt. Bei den sog. "Dentaphonen" und “Audiphonen" handelt es sich um Apparate, bei welchen mit Hilfe der Knochenleitung die Schallwellen auf das Labyrinth übertragen werden sollen, indem der Schwerhörige eine Platte aus Hartgummi oder Holz zwischen die Zähe nimmt oder an die Kinnlade lehnt, während gegen diese gesprochen wird. Der Gedanke, statt der Luftleitung der Knochenleitung sich zu bedienen, bei Hörversuchen, ist alt; benutzt man doch auch Stimmgabeln, um die Hörfähigkeit für verschiedene Töne zu bestimmen, und bedient sich der Knochenleitung. Es ist aber doch ein großer Unterschied, ob man bloß Schallwirkungen erzeugen will, die hier nicht ausgeschlossen sind, oder zur Ton- und Lautwahrnehmung den Schwerhörigen bringen will. In letzter Beziehung sind alle Versuche selbst bei Schwerhörigen mit Vokalgehör, ja sogar mit Wortgehör ohne Erfolg geblieben. Es ist also bei der Anschaffung eines Gehörapparates immer besondere Vorsicht geboten. Kaum auf einem anderen Gebiete wird so viel schwindelhafte und gewissenlose Reklame getrieben, als wie mit den sog. gehörverbessernden Apparaten. Wer sich einen solchen Apparat anschaffen will, lasse sich immer vorher von einem Ohrenarzt beraten; nur so kann er einer unnützen Geldausgabe und schwindelhaften Uebervorteilung entgehen. Das wichtigste Hilfsmittel im sprachlichen Verkehr für den Schwerhörigen und Ertaubten ist das Ablesen des Gesprochenen vom Gesicht. So wesentliche Fortschritte die Ohrenheilkunde in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, in zahlreichen Fällen vom Schwerhörigkeit ist sie doch machtlos und deren Folgen können dann nur durch die genannte Methode und nur in bestimmten Fällen durch einen Apparat, deren zuverlässigster und billigster ein gutes Hörrohr ist, gemildert werden" (Escher Tageblatt, 7.4.1923).

 

 

Exponat

Zweiteiliges Hörrohr aus Messingblech (Replik), erworben 4/2017. Länge ausgezogen 36 cm, zusammengeschoben 21cm

Trichterdurchmesser 10 cm x 8 cm

Herkunft: Zwickau.

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Hörschlauch

Hörschlauch
 

 

 

Seit der Antike gibt es die Hörtrichter – teure Einzelanfertigungen aus Kuhhörnern oder aus Metall. Die erste kommerzielle Produktion von Ohrtrompeten wurde 1800 von Frederick C. REIN in London gegründet. Noch um 1900 benutzte man seine Schalltrichter – starre Hörner, die Kuhhörnern nachempfunden waren.

 

1820 meldete der Pastor und Unternehmer Johann Heinrich August DUNKER (1767-1843) aus Rathenow ein Patent für einen Hörschlauch an, der verdeckt im Kleiderärmel getragen werden konnte. Seine „Hörmaschine mit biegsamem Rohr" bestand aus einem Schlauch, dessen Länge zwischen 8 und 12 Fuß gewählt werden konnte, als Schalleintritt hatte es einen Trichter aus Hartgummi. Das Bemerkenswerteste war indes die mit dem Gerät gelieferte 12seitige (!) Anwendungsbeschreibung.

 

Da es sich um eine sehr preiswerte Erfindung handelte - Ende des 19. Jahrhunderts kostete er 5 Reichstaler und 12 Groschen - fand der Schlauch eine weite Verbreitung.

 

Warnung

"In Nr. 245 d. allg. Anz. findet sich eine Anfrage über Hörmaschinen. Dergleichen macht jeder gründlich gebildete Mechanicus, und namentlich finden sich solche mit sehr bequemen elastischen Röhren in der Anstalt des Pfarrers Dunker in Rathenow bey Berlin. Es möchte jedoch jeder Schwerhörige, der nicht schon sein Uebel als unheilbar anzusehen genügend Grund hat, vor dem Gebrauche der Hörmaschinen zu warnen seyn, weil diese das geschwächte Gehör nur immer mehr und mehr verwöhnen und abstumpfen, bis es ganz verloren geht. Unterzeichneter hat diese traurige Erfahrung an sich selbst gemacht. Von 1822 bis 1829 bediente er sich einer sehr guten pariser Hörmaschinen; allein in dieser Zeit wurde sein Gehör fortwährend immer schlechter, so daß er am Ende auch die Maschine selbst nicht mehr brauchen konnte" (Allgemeiner Anzeiger und Nationalzeitung der Deutschen, Jg. 1836 Gotha S.3834).

 

Sonderbare Benutzung

Nach Versuchen von POLITZER (Lehrbuch der Ohrenheilkunde 5. Auflage EnkeVerlag 1908 S.51) kann durch einen in die Nasenöffnungen eingeführten Hörschlauch Flüstersprache durch den Tubenkanal (individuell verschieden deutlich) perzipiert werden (zit. Adam Politzer, Geschichte der Ohrenheilkunde 1913 S.48).

 

Exponat

105 cm langer Hörschlauch mit Trichter und Ohransatz aus schwarzer Bakelite. (Herkunft: Hazlehurst/Mississippi/USA).