Pharmazie


CONTERGAN (1)

Problem-Präparat 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thalidomid, von der chemischen Struktur ein Phthalimidoglutarimid, wurde 1956 von dem Chemiker Dr. Heinrich Mückler und der Firma Grünenthal in Stolberg bei Aachen entwickelt. Eigentlich war man auf der Suche nach einem Antibiotikum. Thalidomid aber erwies sich als ein Beruhigungsmittel. Der Pharmakologe Herbert Keller (*1925) befand die Substanz für nicht giftig und konstatierte, dass sie einen gesunden und erholsamen Schlaf förderte. Nach Patentierung und Testung wurde der Wirkstoff unter dem Handelsnamen Contergan am 1. Oktober 1957 als Schlaf- und Beruhigungsmittel in den Handel gebracht. Es wurde rezeptfrei verkauft, zunächst in Tablettenform, später auch als Tropfen und Zäpfchen.

 

Als besonderer Vorzug wurde die nicht-toxische Wirkung des Schlafmittels gepriesen: es war nicht möglich, sich mit einer Überdosis Contergan das Leben zu nehmen. Schon 1958 wurde Contergan besonders werdenden Müttern empfohlen, weil es in der Schwangerschaft und während der Stillzeit weder Mutter noch Kind schädigen würde.

 

1960 wurde über eine auffallend häufige Korrelation zwischen missgebildeten inneren Organen und missgebildeten Gliedmaßen bei Neugeborenen berichtet. Die Zusammenhänge zwischen der Einnahme des Medikaments "Contergan" in der Frühschwangerschaft und charakteristischen Missbildungen bei Neugeborenen wurden 1961 nachgewiesen - im November 1961 wurde das Präparat vom Markt genommen.

 

Vorgestellt wird eine CONTERGAN-Schachtel mit Schiebedeckel, die im Raum Hamburg benutzt worden ist, gottlob NICHT von einer Schwangeren...

 

Als 1964 in Jerusalem ein Patient mit einem schmerzhaften Lepraknoten stationär aufgenommen wurde und nicht schlafen konnte, verabreichte ihm der Arzt Jacob SHESKIN 2 Tabletten CONTERGAN. Der Patient nahm zwei weitere Tabletten am darauffolgenden Tag und schlief wie ein Murmeltier. Zum Erstaunen des Arztes verschwanden binnen eines Tages die Schmerzen im Lepraknoten. Seither ist Thalidomid ein Lepramittel. Da in den von der Lepra besonders betroffenen Entwicklungsländern viele Schwangere Analphabetinnen sind, droht damit eine neue Welle von Missbildungen...