Chirurgie


Haemorrhoidenkühler n. ARZBERGER

Artzberger 1876
 

 

    Haemorrhoiden quälen Stadt-menschen, die von einem Stuhl zum andern wandern, aber auch Naturmenschen, insbesondere Reitervölker, die im Sattel geboren werden und dort sterben: im Kaukasus, berühmt für seine reitenden Steppenbewohner, bedienen sich die Menschen selbstgefertigter Eis-Kerzen, die sie sich in den Allerwertesten schieben. In den 1870er Jahren entwickelte der aus WIen stammende ARZBERGER ein Gerät zum Kühlen.

 

In der Sitzung der K.K. Gesellschaft der Aerzte vom 1. Februar 1867 stellte Dr. Johann Freiherr v. DUMREICHER (1815-1880) die "Mastdarmolive" vor (Wiener medizin. Zeitung 1867 Nr. 6, S.46 und Nr. 12, in der letzteren Notiz ist der Name genannt). In der Wiener medizin. Wochenschrift 1867 S.200 ist der Name ARZBERGER's allerdings verkehrt angegeben, es heißt hier, daß Professor "Arnsburg" den Apparat bei Haemorrhoidalblutungen an sich selbst mit Vorteil angewandt habe.

 

"Der Atzperger'sche (sic) Kühlapparat. Dieser Apparat besteht aus einem metallenen Zapfen mit einem birnförmigen Ende und ist mit einem Zu- und Abflussrohre versehen, welche durch Kautschukschläuche mit einem höherstehenden Reservoir und einem auf dein Boden stehenden Gefässe in Verbindung gebracht sind" (Hugo Ziemssen, Klimatotherapie, in: H. Weber; Balneotherapie, von O. Leichtenstern Handbuch der allgemeinen Therapie, Verlag Vogel 1881 S.239). 

"Neben [Wilhelm] Winternitz, [Gustav] Gärtner (1855-1921) und [Arno] Krüche (1854-1926) und Atzberger, der das „Eiskataplasma“ entwickelte [gemeint war: Arzberger, der in den 1870er Jahren zur Behandlung von lokalen Pruritusformen und zur Kalorisation der Prostata den Mastdarmkühler entwickelt hatte, war es vor allem [Max] Matthes (1865-1930), der sich eingehend mit der extremen Kältetherapie zum Teil nur für einzelne Organe befaßt hat" (Hubertus Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie. Europäischer Hochschulverlag Bremen 2012 S.252).

 

Friedrich ARZBERGER (1833-1905), 1861 wurde der aus Wien stammende Assistent an der montanistischen Lehranstalt Friedrich Arzberger in Leoben zum Controlor bei der Berg-, Hütten- und Hammerverwaltung Jenbach. 1866: "haben Se. k.k. Majestät den Professor der Berg- und Hüttenmaschinenlehre an der Pribramer Bergakademie Julius Ritter v. Hauer zum Professor desselben Faches an der Bergakademie in Leoben und den Radwerks-Verweser in Vordernberg Friedrich Arzberger zum Professor derselben Gegenstände an der Bergakademie in Pribram allergnädigst zu ernennen geruht (Z. 44815, ddo. 10. Oktober 1866). Professor der technischen Hochschule in Wien, vorher Brünn. In den 1870er Jahren entwickelte er den Mastdarm-, den Kopf-, den Prostata-, den Herzkühler usw. – ein Techniker, kein Arzt. 

"Friedrich Arzberger ist der Erfinder des bei Mastdarmleiden verwendeten Mastdarmkühlers (Olive) und der heute als Leiter'sche Kühlapparate in verschiedenen Formen zur Kühlung einzelner Partien des Körpers angewendeten Vorrichtungen. (Vgl. Allg. Wiener med. Zeitung 1867, pag. 98. In der Realencyclopädie der ges. Pharmazie, 2. Aufl. Bd.VII S.192, ist der Name unrichtig als Atzperger'scher Mastdarm-Kühlapparat angegeben" (Hans Heger, Pharma-zeutische Post Bd.42 1909 S.89).

Paul Richter, Historische Beiträge zur Urologie, 2. Der "Arzberger'sche Kühlapparat", Zeitschrift für Urologie, Band VII 1913.

(https://www.hinterberger.org/wiki/index.php?title=Friedrich_Arzberger).

Auf demselben Prinzip beruhen einige für besondere Regionen konstruierte Apparate, deren ältester der ARZBERGER'sche Mastdarmkühler ist.

 

"Er stellt eine in den Mastdarm einzuführende Olive dar, die durch durchfließendes Wasser gekühlt wird. Winternitz hat denselben nach Art einer Mantelkanüle verbessert, deren Konstruktion aus der beigegebenen, dem Winternitz-schen Lehrbuch entnommenen Zeichnung deutlich ist. Es ist eine Art Katheter à double courant, bei welchem das durch ein Rohr aufsteigende Wasser sich am oberen Ende entleert und durch die Oeffnungen des das Rohr umgebenden Mantels abströmt. Durch Regulierung von Ab- und Zufluß kann man die darüber gebundene Fischblase oder den Gummicondom beliebig spannen. Man erreicht damit ein sehr exaktes Anliegen an die Wand des Rectums. Ein ähnlicher Apparat ist von Kisch für die Vagina angegeben" (Max Matthes, Lehrbuch de klinischen Hydrotherapie für Studierende und Aerzte. Verlag Gustav Fischer, Jena 1900).

 

Wilhelm WINTERNITZ (1834-1917), war Arzt und besaß in Kaltenleutgeben eine Anstalt mit Kaltwasserheilungen.

 

Indikationen 

Erste Indikation waren blutende Haemorrhoiden. ARZBERGER hatte seinen Apparat in dieser Indikation an sich selber getestet.

Auch bei akuter Prostatitis konnte man die betroffene Region kühlen:

"Der Arzberger hilft besonders bei Urethritis posterior acuta, Prostatitis und Spermatocystitis acuta" (Th. Cohn, P. Frangenheim, H. Gebele, G.B. Gruber, Th. Heynemann, A. Lewin, E. Meyer, F. Necker, H.G. Pleschner, F. Oehlecker, P. Schneider, R. Siebeck, F. Suter, Speƶielle Urologie, Springer, Berlin 1928 S.402).

"Die Kälteapplikation bewerkstelligen wir vom Mastdarm aus mit dem sog. Arzberger-Apparat, ein Metallkolben von der Länge und Stärke eines Zeigefingers, der von kaltem Wasser durchflossen ist und auf diese Weise gekühlt wird. Diesen Arzberger-Apparat lassen wir 2-3mal täglich etwa 20 Minuten lang anwenden; das durchfliessende Wasser soll eine Temperatur von 8-10° haben" (A. von Eiselsberg, B. Breitner, P. Clairnond, R. Demmel, W. Denk, O. Frisch, W. Goldschmidt, R. H. v. Haber, G. Hofer, Th. Hrynt-Schak, O. Marburg, H. Neumann, Lehrbuch der Chirurgie: Zweiter Band Springer, Wien 1930 S.161).

 

Bei chron. Prostatitis konnte man mit diesem Gerät ebensogut wärmen:

"Die systematische Massage der Vorsteherdrüse und die fortgesetzte Wärmebehandlung mit Hilfe des Arzberger'schen Apparaates waren so ziemlich alles, was wir von wirksamen Mitteln gegen dieses Leiden (chronische Prostatitits) bisher besaßen. (..) Es ist darum mit Freude zu begrüßen, daß wir in der Diathermie eine Methode gefunden haben, die der bis jetzt angewendeten Wärmeapplikation nach Arzberger weit überlegen ist" (Josef Kowarschik, Die Diathermie, Springer 1926 S.165).

 

Exponat

Arzberger'scher Apparat

Herkunft: Minsk, Weißrussland. Ebay-Kauf 1/2018