Innere Medizin


Galvanotherapie (1)

Gottlieb Tobias WILHELM, 1806 

Froschschenkel zuckten beim Kontakt mit zwei Metallen. Der Anatomieprofessor Luigi GALVANI (1737-1798) folgerte, dass es im Frosch eine „tierische Elektrizität“ gab.
Lit.:
- Créve, Carl Caspar (1769-1853), Beiträge zu Galvanis Versuche über die Kräfte der thierischen Elektrizität auf die Bewegung der Muskeln [von] Carl Caspar Créve. Frankfurt und Leipzig, bei J.J. Stahel Sel. Wittwe, 1793. 104 S.
- Volta, Alexander. Schriften über die thierische Elektrizität. Prag, 1793.

Alexander VOLTA (1745-1827), Physikprofessor an der Universität Pavia, konnte kurz nach GALVANI’s Tode nachweisen, dass diese Elektrizität nicht dem Frosch innewohnt, sondern am Kontakt zwischen den Metallen entsteht. Hatte GALVANI noch mit „Reibungselektrizität“ gearbeitet, fand VOLTA alsbald eine ergiebigere Stromquelle: ab 1799 experimentierte er mit Metallen und Säure und erzeugte mit Metallpaaren Strom. Man konnte bis dato zwar mit elektrostatischen Maschinen hohe Spannungen erzeugen (etwa 30 000 Volt), aber keine großen Ströme. Jede der neuen Voltaschen Batteriezellen lieferte zwar nur etwa 1Volt, aber durch Serienschaltung konnte man relative große Ströme bei beliebigen Spannungen erzeugen: um einen starken Strom herzustellen, brauchte man nichts anderes als eine Aneinanderreihung von dutzenden dieser Metallpaare… Im Frühjahr 1800 stellte VOLTA der Öffentlichkeit seine Batterie vor, mit der erstmals Gleichstrom in messbarer und fühlbarer Stärke hergestellt werden konnte: am 20.3.1800 berichtete er der „Royal Society“ in London !
Die beiden Kupferdrähte, die den Strom aus der Säule ableiteten, hiessen „rheophore“ aus dem Griechischen „Strom tragen“. Die mit Säure oder Salzlauge getränkten Karton- bzw. Stoffscheiben verdunsteten und trockneten aus; solange sie aber nass waren, floss die verdünnte Schwefelsäure (H2-SO4) oder Salzlauge an der Säule entlang, „versaute“ alles, und, was schlimmer war, führte zu ewigen Kurzschlüssen …
Die wissenschaftiche Welt aber war begeistert. Napoleon berief VOLTA 1801 nach Paris, und bat um eine Vorführung. Er gewährte ihm eine Staatspension, gab ihm den Titel eines „Comte“ und nannte ihn zum Senator Italiens. Der „Ecole Polytechnique“ schenkte Napoleon eine „pîle“ aus 600 Elementen. Man sagt, der Chemiker Humphrey DAVY in London habe eine „pîle“ aus gar 3.000 Elementen besessen…

In Medizinerkreisen begeisterte die neue Form von Elektrizität, auch wenn anfänglich Zweifel darüber herrschten, ob die altbekannte Reibungselektrizität mit der neuen chemischen Elektrizität identisch sei. Die « École Nationale de Médecine » schaffte eine « pîle » an [die allerdings etwas schwächer war als diejenige der « Ecole Polytechnique »].
1806 bildete der Augsburger Pfarrer Gottlieb-Tobias WILHELM die VOLTA’sche Säule in seiner Enzyklopädie ab… Das Bild erinnert an einen Altar mit 2 Kerzen - zumal WILHELM Geistlicher war ! Obwohl ein Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus 1806 nicht bekannt war, erinnert die experimentelle Anordnung auf dem Bild auch an Franz Anton MESMER (1734-1815), mit einer Frau (diese waren dem Meister MESMER besonders zugetan), einer Maschine, aus der ein mysteriöses Fluidum strömte, Kettchen, unnötigem Kram wie den Schüsseln und Kugeln in der Flüssigkeit und einer Männerhand, die den ganzen Spuk orchestrierte. Mesmer hatte seine Wahlheimat Paris 1785 verlassen und zog seither ruhelos durch Europa (England, Italien, Deutschland, Frankreich, Schweiz). 1806 war sein Bild also in Deutschland durchaus präsent…

Ein Zusammenhang zwischen Magnetismus und Elektrizität war 1806 unbekannt. Erst 1809 entdeckte Dominique-François ARAGO (1786-1853), dass Eisen magnetisch wird, wenn es von einem stromführenden Draht umgeben ist. 1819/20 machte der Physiklehrer Hans Christian OERSTED (1777-1851) die wichtige Beobachtung, dass in der Umgebung eines elektrischen Stromes eine Kompassnadel ausschlug - dass Ströme Magnetfelder erzeugen.

G. T. Wilhelm (1758-1811) war Pfarrer in Augsburg und Bruder von Paul Martin Wilhelm, dem späteren Inhaber der Engelbrecht'schen Kunsthandlung, wo das vorliegende Blatt gedruckt wurde. Das Blatt über Elektrische Wirkungen an gelähmten Gliedmassen (T XXXIX 120) stammt aus dem seltenen 3. Band der "Unterhaltungen über den Menschen" – zugleich 15. Band des 27-bändigen Schinkens „Unterhaltungen aus der Naturgeschichte“: Dritter Theil, Von dem Körper und seinen Theilen und Functionen insbesondere. Augsburg, Martin Engelbrecht’ sche Kunsthandlung, 1806.
Hochkarätige Bilder dieses Werkes stammen aus der Feder von J.M. Mattenleiter und wurden von. P.J. Laminit gestochen. Das hier vorgestellte Bild erhebt keinerlei künstlerische Ansprüche und entbehrt der Autorenangabe.

Nach 1850 erlebte die galvanische Feinstromtherapie eine erste Blütezeit. Der Ingenieur August WOHLMUTH führte die Gleichstromtherapie nach dem 1. Weltkrieg in die Volksmedizin ein…

Den Namen von Alessandro VOLTA findet man in dem Handelsnamen eines bekannten Rheumaproduktes der Firma Novartis wieder, dem VOLTAREN..