Naturmedizin


Afrikanische Medizin und Christliche Mission

... taufen zu lassen. 

Nur wenige Missionare ergriffen die Gelegenheit, um in ihrem Missionierungsgebiet die einheimische Heilkunde zu erforschen. Auch der bekannte "Urwalddoktor" Albert SCHWEITZER (1875-1965) aus dem Elsass sah die Kontakte mit Afrika als sehr eingleisiges Geschäft, in dem er christliche Nächstenliebe nach Afrika exportierte, und nur himmlischen Dank zurückerwartete. Von Afrikanern hat auch er nichts hinzugelernt...

Westliche Medizin als Schlüssel zur afrikanischen Gesellschaft...
"Ebenso untrennbar wie Schule und Bildung ist die Gesundheitsversorgung mit dem Wesen und Wirken von Mission verbunden. Fast jede Missionsstation war über kurz oder lang mit einer Ambulanz ausgerüstet. Nach dem Willen von Kardinal C. Lavigerie besaß die Ausübung von "Wohltätigkeit" und die Krankenpflege für die Missionare oberste Priorität. Die Missionsgesellschaften sahen in der Krankenversorgung einen wichtigen Schritt zur Annäherung an die Bevölkerung, aber trotz der teilweise beeindruckenden Leistungen die Missionare entgehen diese Einrichtungen nur schwer einer gewissen Zweideutigkeit. Die Spitäler bildeten eine direkte Apostolatsmöglichkeit, vor allem auch auf islamischem Boden, wo den christlichen Missionen das Recht verwehrt war zu bekehren. Wie konnte man vor dem Hintergrund dieser konfessionellen Rivalität besser imponieren als durch Krankheitsheilung mit Hilfe europäischer Medizin. [..]
Doch nicht sofort und überall bestand seitens der Bevölkerung Interesse an der europäischen Heilkunde, die in Konkurrenz zur traditionellen Heilkunst trat. Die pragmatische Vorgehensweise moderner Medizin fragt bei dem Warum einer Krankheit nicht nach den Einflüssen übersinnlicher Kräfte. Die Existenz einer Geisterwelt war aber völlig selbstverständlich, Wunder waren natürlich möglich und erregten keinerlei Skepsis. Zudem war auch die Angst weit verbreitet, durch die Hand der 'fremden Weißen" womöglich vergiftet zu werden. Entsprechend der distanzierten Haltung der Bevölkerung beschränkten sich die Anfänge der medizinischen Versorgung daher zunächst auf Randgruppen. Die meisten Patienten waren missionarische Arbeitskräfte oder Schüler. Erst mit zunehmender Machtentfaltung der christlichen Kirchen änderte sich in den folgenden Jahren diese Zurückhaltung. Gegen Ende der 20er Jahre verfügten fast alle katholischen und protestantischen Missionsstationen über kleine, einfach ausgestattete Gesundheitszentren, die von staatlicher Seite unterstützt wurden."

(https://www.weltbilder.de/derautor/seinearbeit/missionierung/)

Vorgestellt wird ein in Salzburg gedrucktes "Heiligenbildchen", auf dessen Rückseite bescheinigt wird, dass der edle Spender aus Eich (einem nördlichen Vorort Luxemburgs) am 23. Januar 1935 fünfzig Franken eingezahlt hatte, um ein Negerkind loszukaufen, in einer Missionsstation aufzunehmen und zu unterhalten...

Gräfin Maria Theresia Ledóchowska (* 29.4. 1863 in Loosdorf (Österreich), gest. 6. Juli 1922 in Rom) wird als "Mutter Afrikas" bezeichnet. - Ihre Bedeutung für die Kirchengeschichte liegt vor allem in ihrem überragenden Engagement für die afrikanischen Missionen. Gedanklich angeregt von Kardinal Charles-Martial-Allemand Lavigerie (Weiße Väter) gründete sie 1894 eine "Hilfsmissionsgesellschaft". Als Patron für ihre Organisation wählte sie den Jesuitenmissionar Petrus (Pedro) Claver und gab ihr den Namen "St. Petrus Claver Sodalität für die afrikanischen Missionen". Die "St. Petrus Claver Sodalität" war keine Missionskongregation im engeren Sinn, d. h. sie entsandte selbst kein Personal ins Ausland. Ledóchowska hatte sich zur Aufgabe gestellt, in Afrika tätigen Geistlichen in Europa durch Spendensammlungen [Geld, (Alt-)Kleider, Kirchenausstattung, usw.] und einer intensiven Missionspropaganda (Missionsschriften, Vorträge, Ausstellungen) zu helfen. In Salzburg gründete sie eine Druckerei, in der sie Berichte der AfrikamissionarInnen, aber auch religiöse Schriften und Schulbücher in mehreren hundert afrikanischen Sprachen druckte, die für die Missionsarbeit nach Afrika verschifft wurden. Die Motivation für ihren intensiven Einsatz zur Förderung des Missionsgedankens in der Österreich-Ungarischen Monarchie hängt eng mit ihrem Engagement im Kampf gegen die Sklaverei, insbesondere gegen den arabischen Sklavenhandel in Afrika zusammen. Die ärztliche Versorgung der Afrikakolonien erlangte allerdings erst nach 1914 einen wirklichen Aufschwung.

Westliche Medizin in der Hand von Missionaren wurde zu einem Instrument der Christianisierung! . Sie diente dazu, den Einfluß der Medizinmänner zurückzudrängen, als sich diese als die größten Gegner der Missionare in politischen und kulturellen Dingen erwiesen.

... so trug der Spender aus Eich sein Scherflein dazu bei, dass ein Kind in Afrika von einem westlich ausgebildeten Arzt untersucht und geimpft wurde.

Naturmedizin


Amboss und Medizin: heilende Schmiede

Ansichtskarte: Schüler der Handwerkerschule Luxemburg am Amboss (lux. Unzelt), um 1925 

Chirurgen waren zweifelsohne die ersten Hersteller von Prothesen aus Metall. So liess der berühmte französische Chirurg Ambroise PARE (1510-1590) seine Prothesen bei dem "kleinen Lothringer" herstellen, einem in Paris ansässigen Schmied.
Denken Sie an die "Eiserne Hand" des Götz von Berlichingen (1480-1562), die 1509 von einem Schmied aus Ollhausen hergestellt wurde (heute ausgestellt im Museum der Götzenburg in Jagsthausen).

Der Volksglaube schreibt dem Wasser, in dem der Schmied das glühende Eisen abkühlte, heilende Kräfte zu: das Wasser, in dem das feuerrote Eisen abgekühlt wurde, nahm die magischen Kräfte dieses Feuers auf und erlangte Heilwirkung: vielerorts hielt man das Wasser aus der Schmiede für heilkräftig - ein typischer Fall von Kräfteübertragung, bei dem die Kraft des Feuers durch Vermittlung des Eisens auf das Wasser übergeht (J. Hess, Altluxemburger Denkwürdigkeiten, S. 130).

Dorfbewohner gingen aus ganz praktischen Gründen zum Zähneziehen zu ihrem Dorfschmied: er besass meist Bärenkräfte und verfügte über das grösste Arsenal an Zangen ...

  • In Folscheid kurierte der aus Lothringen zugezogene Schmied Franz Petitier mittels Rosskuren, bis er 1783 starb (Nicolas Pletschette, Mathias Thill, Die Rosskuren des Schmiedes Frantz Petitier aus Folscheid, in: Section Linguistique, Annuaire 1947, S. 62).
  • In Simmern/Eisch übten ein gewisser FELTES sowie der Nagelschmied Philippe BARNICH unbefugterweise die Heilkunst aus. Letzterer behandelte den seit seiner Geburt kranken Pierre Hosch, und zwar mit einer Salbe, die er aus Seife herstellte (J. Hess, Simmern im Eischtal, in: Hémecht 1(1957), S. 55).

    Aus Luxemburg sind uns nur wenige Fälle überliefert, in denen Schmiede sich heilend betätigt hätten. Nur zu Beginn des 18. Jh. sind uns zwei Fälle von Schmieden bekannt, die vorübergehend als Chirurg tätig waren:

  • 1708 heiratete Peter BOLTZ, der für gewöhnlich als Schmied bezeichnet wurde, in einer Taufakte von 1703 aber (deutlich lesbar) als "chirurgien" genannt wird.
  • als Johannes NICOLAS am 9.2.1717 heiratete (AVL LU I 32/11 fol 2 r), da war er noch einfacher Schmied. Noch im gleichen Jahr sollte sich die berufliche Situation verändern: am 20.11.1717 wird er als Chirurg bezeichnet (AVL LU I 32/5 fol 15 r). Am 31.12.1728 war er wiederum normaler Schmied.
  • am 21.8.1866 schrieb der Schöffenrat der Stadt, dass Sr. RUPPERT-Hatto "maréchal ferrant du Grund prépare une liqueur, laquelle, au dire de personnes dignes de foi, aurait produit les meilleurs effets chez des malades atteints de l'épidémie cholérique". Das Collège médical wurde gebeten, den Saft zu untersuchen bezüglich Nutzen und Gefahren ... (Archives Collège médical).

Naturmedizin


Amulett, Dogon

 

Man nimmt an, dass die Dogon die Ureinwohner des Nigertales waren und über tausende von Jahren Dörfer bewohnten, die entlang einer 200 km langen Felsklippe in den Felsen gehauen wurden. Obwohl sich die meisten Stämme nun in den Ebenen angesiedelt haben, bleiben diese alten Klippen immer noch bestehen. Die Dogon haben eine hochentwickelte handwerkliche Tradition. Die Klippen von Bandiagara wurden von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft.

Mythologie der Dogon
"Le Dieu Amma, créateur du monde, conçut les quatre éléments (eau, terre, air, feu). Puis il créa une sorte de placenta, « l’œuf du monde », à l’intérieur duquel il plaça deux couples de jumeaux androgynes sous forme de poissons. Mais l’un des jumeaux mâle, Ogo, se rebella et quitta le placenta en emportant un morceau qui devint la Terre, une terre déserte dans une obscurité totale. Alors qu’Amma avait voulu que toute les naissances soient gémellaires, la révolte d’Ogo préfigure les naissances uniques. Ogo se retrouvant seul tenta de rejoindre sa jumelle qu’il avait abandonnée, allant jusqu’à commettre l’inceste. Cela engendra un grand désordre, et entre autres, l’apparition de la mort. Pour punir Ogo, Amma le transforma en renard et le priva de l’usage de la parole. Depuis, le Renard pâle est condamné à errer la nuit et à vivre sous terre. Mais par les traces qu’il laisse sur le sol, il révèle aux humains l’avenir et dévoile les desseins d’Amma. La punition d’Ogo ne suffit pas à rétablir l’ordre dans l’univers. Amma décida alors de sacrifier le second jumeau mâle, Nommo, dont le sang versé, purificateur, donna naissance aux étoiles et dont le corps démembré engendra les plantes et les animaux. Puis Amma ressuscita Nommo et le plaça dans une arche, formée avec un morceau du placenta originel, en compagnie de quatre couples de jumeaux, les huit ancêtres de l’humanité et des éléments de la création. Descendue du ciel, l’arche atteignit la terre inhospitalière du Renard pâle. La première pluie tomba, formant la première mare. Le soleil se leva pour la première fois mettant fin à l’obscurité infinie et les éléments contenus dans l’arche se répandirent sur la terre. Nommo, sous sa forme de poisson, gagna la mare et s’y établit. Il enseigna aux premiers ancêtres le langage articulé, le tissage, puis d’autres techniques, mettant fin ainsi à ce que l’on pourrait voir comme l’enfance de l’humanité" (Gaborit Aurélien, in: L'Oeil - n° 526 - Mai 2001).

Obwohl die Glaubensvorstellung der Dogon eine Art Schöpfergott "Amma" kennt, spielt im Alltag eher der Ahnenkult die Hauptrolle. Die Dogon sind eine patriarchalische Gesellschaft, deren Gemeinden ein Dorfältester vorsteht. Dieser besonderen Rolle der "Alten" begegnen wir auch in unserm Amulett, das es dem Träger gestattet, beständig in Verbindung zu seinen Ahnen zu leben. Diese leiten ihn bei seinen Entscheidungen und schützen seine Gesundheit ...

Zur Dogon-Heilkunde
"The Dogon attribute illness to a variety of causes, such as the weakening of the vital life force (nyama), the creation of a state of impurity in the individual through the influences of evil spirits, violation of a taboo or prohibition, and sorcery. There are twelve categories of disease considered treatable, each with its own specific healer who has special knowledge of the specific plant that will bring about a cure. Where diseases are considered to be supernaturally based or the result of sorcery, a healer-diviner is called in who determines the cause of the disease (through divination), then offers sacrifices, magical charms, and incantations to bring about a cure" (https://www.everyculture.com/Africa-Middle-East/Dogon-Religion-and-Expressive-Culture.html).

  • Alles in der Welt der Dogon ist bedeutsam und sakral - die Einteilung der Felder, die Ausrichtung der Palaverhütten nach den Himmelsrichtungen, die Aufteilung der Wohnhäuser, die Anordnung der Türen, Decken, Terrassen, Nischen und Balken: alles ist Ausdruck der religiösen - mythologischen Anschauung; die Dogon sehen ihre Dörfer als "auf dem Rücken liegende Menschen": der Kopf stellt das Rathaus (Palaverhaus "Toguna") dar, östlich und westlich davon liegen als Hände ... die Menstrualhütten.
  • Wie bei vielen afrikanischen Stämmen ist auch bei den Dogon die Beschneidung der Frauen ein verbreiteter Brauch ... Die Jungs werden im Alter von circa zwölf Jahren beschnitten, die Mädchen bei den Dogon angeblich nicht. Die verstümmelnde Klitorisbeschneidung muss in Mali allerdings noch weit verbreitet sein, denn die Hilfsorganisation World Vision ruft mit Werbetafeln dazu auf, die grausame Praxis abzuschaffen.
  • man fürchtet sich vor dem Geist einer Frau, die während der Schwangerschaft oder unter der Geburt verstorben ist; diese sog. "weissen Frauen" werden ausserhalb des Dorfes in Höhlen begraben und von Magiern bewacht.
  • ein heiliger Mann, Wächter der Mythen, lebt in der Felswand. Seinen Unterschlupf darf er nie verlassen. Niemals würde ein Dogon einem Fremden das mit Tabu belegte Haus, in dem der Schamane wie in einem Kerker haust, auch nur aus der Ferne zeigen. Im Sand zeichnet er Figuren und interpretiert am andern Morgen die auf der Figur hinterlassenen Abdrücke der Wüstenfuchspfoten. Bei aller Komik: diese Heilkunde war und ist weit über die Grenzen des Dogolandes bekannt für seine Effizienz !
  • genauso gefürchtet im Dorf ist der Schmied, Herr des Feuers - er stellt die magischen Objekte (wie unser Amulett) her und hat einen besonderen Zugang zur "jenseitigen" Welt..
  • für den Gynäkologen ist die Entstehung des Menstralblutes von Interesse: "At the beginning of time, Amma (a supreme god who lived in the celestial regions and was the origin of all creation) created the Earth and immediately joined with it. But the Earth's clitoris opposed the male penis. Amma destroyed it, circumcising his wife, and they had a child, Ogo, and the twins, the Nommo. Ogo had no partner and was barren, so he introduced disorder into the world by committing incest with his mother, Earth. The first menstrual blood came from this union, as well as Yeban and Andumbulu, the spirits of the underworld" (https://www.gateway-africa.com/stories/Dogon_Creation_Myth.html).
  • die besondere Zwillingsverehrung der Dogon ist auffällig: da die ersten Menschen zwei Zwillingspaare waren, ist eine Zwillingsgeburt auch heutzutage etwas ganz besonderes, ein Ereignis, das Glück und Wohlstand verspricht .

    Zur heutigen Lage

  • im Gebiet der Dogon ist der gefährliche Guinea-Wurm beheimatet. Seine Larven dringen durch die Fußsohlen in den Körper ein, bis sie sich schließlich, wenn es für eine Bekämpfung schon zu spät ist, im Muskelgewebe festsetzen
  • in Bandiagara, einer Stadt am Rande des Dogon-Gebietes, besteht ein Zentrum für traditionelle afrikanische Medizin.
  • das RAFT (Réseau en Afrique francophone pour la télémédecine) hat im Osten des Dogongebietes ein Pilotanlage eingerichtet, im Spital des Landdorfs Dimmbal (www.dimmbal.ch).

    Auf einem Wochenmarkt in Briançon erstand ich im Sommer 2010 bei einem Kenner der afrikanischen Kunstszene diesen Anhänger, der, den Angaben des Händlers zufolge, von den Dogon stammt - eine vermutlich eher rezente Arbeit, die an die Ahnensteine anspielt, Steine, in denen die Seele eines verstorbenen aufbewahrt wird, und an einer Eisenkette um den Hals getragen werden.
    Allerdings wollte mir der Händler weismachen, dass in dem Stein, der im Gitterwerk gefangen ist, böse Geister gefangen gehalten werden, die Krankheiten bei mir hervorrufen könnten ...

    Lit.:

  • Piero Coppo, Les Guerisseurs De La Folie, Histoires Du Plateau Dogon - Ethnopsychiatrie, Collection : Empecheurs De Penser En Rond, 1998.
  • R. Beneduce, "Maîtriser le vent. Comment les guérisseurs dogon traitent les troubles mentaux", Nouvelle Revue d'Ethnopsychiatrie, 1997, 34, 135-158.
  • B. Fiore, Intérprétation des maladies et leur classification dans la médecine traditionnelle dogon (Mali), "Psychopathologie africaine" XXVI (1994), 9-33.

Naturmedizin


Asiatisches Wassergefäss

 

Einen jeden von uns "Westlern" schüttelt es, wenn er die vielen Menschen am Ufer des Ganges beim Baden, beim Feiern, bei Verbrennen der Leichen von Angehörigen sieht. Der Ganges gilt als einer der ganz dreckigen Flüssen dieser Welt. Warum es hier nicht häufiger zur Epidemien von Typhus und Cholera kommt, verdanken die Hindi einer ganz eigentümlichen Art von Tieren, die in grosser Menge im Gangeswasser leben: den Bakteriophagen. Sie vertilgen eine Grosszahl der Bakterien ...

Englische Truppentransporte waren erstaunt über die gute Haltbarkeit des Gangeswassers, das die Reise Bombay-London überstand, ohne zu faulen, während bestes englisches Quellwasser die Reise in umgekehrter Richtung nicht überstand. Die Erklärung verdanken wir einem Engländer: 1896 fand Ernest HANKIN (1865-1939) „antiseptische“ Eigenschaften des Gangeswassers gegen eine Vielzahl von Bakterien, insbesondere Vibrio cholerae, den Erreger der Cholera. Es war die bahnbrechende Arbeit des britisch-kanadischen Mikrobiologen Félix d’HERELLE (1873-1949), der 1917 den Grund für diese antiseptische Eigenschaft erkannte: Bakterienparasiten („Sur un microbe invisible antagoniste des bacilles dysenté- reiques“) und dabei auch den Begriff „Bakteriophage“ prägte.

Der hier vorgestellte Transportkessel für Trinkwasser stammt aus Indien und erinnert an die Bakteriophagen, ihre Bedeutung insbesondere für die Beherrschung bakterieller Krankheiten in einer Zeit zunehmender Antibiotikaresistenz der Bakterien.

Naturmedizin


Bezoare

Bezoare
 

Im 12. Jahrhundert kam der Bezoar über Spanien aus der islamischen in die europäische Medizin. Noch heute tragen die alten Bauerndoktors im alpinen Raum "Gamskugeln" in ihren Hausapotheken und verwenden sie: - bei Grimmen auf den schmerzenden Teil binden. - bei Kopfweh damit die Schlafstube ausräuchern. - gleich bei Morgengrauen ein wenig einnehmen, so bist du gegen Gift und Pest gefeit - trage die Kugeln bei dir und du wirst nicht schwindlig. - die Kugel wird auch als Talisman gegen alle Übel der Natur und der Geister getragen. Bezoar vom Steinbock wurde als Arznei u.a. gegen Pest, Fieber, Epilepsie und Sei- tenstechen eingesetzt. Da man den aus dem Magen von Gemsen stammenden „Gems- kugeln“ ähnliche Wirkung nachsagte, kam es auch zu Verwechslungen, Vermischungen. Dem orientalischen Bezoar wurde Wirksamkeit gegen Schwindel, schwere Not (?), Ohnmacht, Herzklopfen, Melancholie, Gelbsucht, Kolik, Würmer, harte Geburt, aufgebrochene Skrofeln, Krebs, Pest, böse Fieber....usw. nachgesagt.

 

Der „Bezoar occidentalis“ stammte von dem südamerikanischen Kleinkamel Vikunja, bei dem er sich nach Winkler (1932) in der Gallenblase bilden soll. Georg Niklaus Schurtz (1673, zit. in Rätsch & Guhr 1989) schrieb in seiner „Materialkammer“: „In Peru wachsen viel gifftige Kräuter. Die Bezoarkräuter kennen die Vicunnes und andere Tiere von Natur, und essen davon. Von diesem herrlichen Kraut wächst der Bezoarstein in ihrem Magen, und er hat die Krafft, daß er Gifft tödtet“.

 

Die 10 hier vorgestellten Magensteine sind federleicht - der grösste misst 20, der kleinste 5 mm im Durchmesser - sie stammen aus La Paz, Bolivien. Deutlich erkenntlich ist bei dem grossen Exemplar der schalenartige Aufbau.

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Einlauf, gegeben von der Mutter

Messing-Figurine aus dem Benin , um 1999 

Mutter knieend, den Mund auf den Darmausgang des Kindes gepresst (a). Ob unbehandeltes Wasser eingeblasen wurde oder aber besondere Zusätze verwandt wurden, ist nicht bekannt.

Gewusst ist, das viele afrikanische Mütter, die ihr Kind mit zur Arbeit nehmen wollen, ihrem Kind allmorgendlich einen Einlauf (meist mit "piment", d.h. mit Nelkenpfeffer) verpassen, um den Darm auf der Stelle zu entleeren und so tagsüber auf der Arbeit sich nicht mit vollen Windeln herumplagen zu müssen. Und das Kind ?? - man denke an das massive Reizkolon, das sich auf Dauer entwickelt...

Béatrice Fontanel(*) beschreibt eine ähnliche Einlauf-Szene: ".. am andern Ende des Körpers bläst die Mutter ein wenig Wasser in den After des Babys - hier schützen die Waschungen vor Verstopfung. Ausserden können die Mütter so die Sauberkeit ihrer Kinder, die keine Windeln kennen, kontrollieren und Medikamente verabreichen".

Dass die Indikation zum täglichen EInlauf, insbesondere im Burkina-Faso, sehr viel weiter gehen, lesen wir im folgenden Internetbeitrag:
www.jle.com/fr/revues/sante_pub/ san/e-docs/00/03/5B/61/article.md

Die hier vorgestellte Messingfigur wurden nach der Technik der "cire perdue", des "verlorenen Wachses", gegossen und auf einen Untersatz aus Messingblech aufgenietet. Derartige Skulpturen sind charakteristisch für das Volk der TUSSIAN (Tusia), die im Südwesten der Obervolta leben.

Ähnliche Figürchen mt Darstellung alltäglicher Szenen dienten ehemals als Gewicht beim Abwiegen von Goldstaub, insbesondere im heutigen Ghana. Im Benin wurden sie von Gronzegiessern hergestellt, die früher "ausschliesslich für den Hof der FON-Herrscher arbeiteten, später haben sich daraus die bekannten kleinen Genrefiguren mit langen, dünnen Gliedern entwickelt, die bis heute für den Touristenmarkt hergestellt werden" (**).

Die Postkarte der Jahrhundertwende (b) zeigt, dass die Technik des "geblasenen Einlaufes" in Afrika weitverbreitet war - wenn sie auch von europäischen Photographen als derart abwegig angesehen wurde, dass sie sich nicht scheuten, Mütter bei diesem Eingriff abzulichten!

(*) B. Fontanel und Cl. d'Harcourt, Babys in den Kulturen der Welt, 2007 S. 37
(**) E. Herold, Afrikanische Skulptur 1989 S. 99

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Einlauftrichter

Einlauftrichter, Kongobecken, 20. Jh. 

Der Einlauf wurde vielfach mittels eines speziellen Trichters durchgeführt, den die behandelnde Person mit einem Medikament füllte, bevor sie den Einlauf "einblies".

Der vorgestellte Trichter stammt aus dem Gebiete der KUBA, die am mittleren östlichen (rechten) Ufer des Kas(s)ai-Fluss im Kongobecken leben, südlich der Einmündung des Sankuru in den Kassai.

Die (BA)-KUBA
Die KUBA (KOO-bah) setzen sich zusammen aus etwa 20 ethnischen Gruppen, die in einem Königreich zusammengefasst sind, und unter der Autorität der Bushong-dynasie stehen. Heutzutage leben etwa 250.000 KUBA in der Volksrepublik Congo. Ihre Geschichte lässt sich bis ins 16. Jh. zurückverfolgen, als sie aus dem Norden einwanderten und die ortsansässigen TWA verdrängten resp. letztere mehr oder weniger aufsogen. Seinen politischen Höhepunkt erreichte das Volk Mitte des 19. Jh. - europäische Händler erreichten das Gebiet um 1884, ein dunkelhäutiger presbyterianischer Missionar erreichte die KUBA-Hauptstadt Mushenge 1892.
Das Königreich zerfiel schliesslich Ende des 19. Jh's als Folge der Einfälle der NSAPO, und führt gegenwärtig nur noch ein Schattendasein, mit einem König, der immer noch zur Familie der Bushong gehört.

Zur Kunst der KUBA
Ihre plastischen Kunstwerke stehen zumeist in einem Bezug zum König oder einer anderen hochrangigen Persönlichkeir (Statuetten, Kelche, in denen der Geist dieser Personen "aufgefangen" wird).

Die KUBA-Masken stellen Natur-Geister dar und werden bei Bestattungen und Initiierungsriten getragen; einige der Masken sind exclusiver Besitz des Königs und werden dazu benutzt, die Geschichte der Dynastie nachzuspielen.

Die KUBA-Künstler fertigen auch alltägliche Gegenstände her, so Becher, Pfeifen, Klystiere, "oracles à frottement" und vielbeachtete sog. "raffia"-Stoffe mit symetrischen Mustern.

Zur Mythologie der KUBA
Die Welt wurde geschaffen von Bumba, der bestimmte, dass die Familie der Bushong auf ewige Zeit die Herrschaft innehaben sollte. Eine Verehrung erfährt der Schöpfergott nicht. Der Ahnenkult herrscht vor. Erfolge bei der Jagd gelten als Geschenk der Götter. Hunde übermitteln vielfach den Wunsch der Götter, Hundeskulpturen spielen daher bei Geisterritualen ein gewisse Rolle.

Zur Medizin der KUBA
Magie wird betrieben zur Feststellung von Krankheitsursachen. Mit dem Auftreten der Weissen griffen Amoebenruhr, Pocken und die Spanische Grippe um sich und töteten etwa die Hälfte der Urbevölkerung.
Als Kuriosum sei der Glaube der KUBA an die Kraft der Toongatoong-Medizin erwähnt, deren Macht Schiesspulver in Wasser verwandeln und den Weg von Gewehrkugeln verändern konnte.

Naturmedizin


Flussperlmuschel

Muschel aus dem Nachlass meines Grossvaters 

Perlen halfen, Art und Ausmass von Verdauungsstörungen zu diagnostizieren: mit Eiweiß- überzügen versehene Perlen liess man auf natürlichem Wege den Darm passieren und stellte dann die Art und den Grad der Verdauung fest (Einhorn’sche Fadenprobe, in: Otto Dornblüth, Klinisches Wörterbuch 1927).

Flussperlen wurden im Mittelalter empfohlen zur Therapie von Herzschmerzen. Unter Herzschmerz fiel nicht nur der Herzinfarkt, sondern auch das Völlegefühl, Über- anstrengung, Herzklopfen oder Lebererkrankungen (“die Leber versorgt das Herz mit Blut”). Dagegen also halfen Muskat, Gold, Margariten-Perlen, Knochen des Herzens eines Hirschen und, last not least, Amber.

Das erste Buch über bayerische Perlen, verfasst vom Münchner Stadtarzt Malachias GEIGER (1606-1671), Spross einer auch in politischer Hinsicht interessanten Mediziner-Dynastie. GEIGER betonte in seinem Werk die – heute beispielsweise in China noch übliche – medizinische Verwendung pulverisierter Perlen der Margaritifera margaritifera:
„Bayerische Perlen sind nicht nur zum Frauenschmuck bestimmt“, heißt es im Vorwort, sondern hielten – wie er selbst an den kurfürstlichen Krankenhäusern in München erprobte – auch im medizinischen Gebrauch den asiatischen und amerikanischen die Waage.
In abgelegenen Naturgebieten wurden die Muscheln früher gezogen - das Perlen halfen, Art und Ausmass von Verdauungsstörungen zu diagnostizieren: mit Eiweißüberzügen versehene Perlen liess man auf natürlichem Wege den Darm passieren und stellte dann die Art und den Grad der Verdauung fest (Einhorn’sche Fadenprobe, in: Otto Dornblüth, Klinisches Wörterbuch 1927). Flussperlen wurden im Mittelalter empfohlen zur Therapie von Herzschmerzen. Unter Herzschmerz fällt nicht nur der Herzinfarkt, sondern auch das Völlegefühl, Überanstrengung, Herzklopfen oder Lebererkrankungen (“die Leber versorgt das Herz mit Blut”). Dagegen also helfen Muskat, Gold, Margariten-Perlen, Knochen des Herzens eines Hirschen und Amber.

Das erste Buch über bayerische Perlen, verfasst vom Münchner Stadtarzt Malachias GEIGER (1606-1671), Spross einer auch in politischer Hinsicht interessanten Mediziner-Dynastie. Geiger betonte in seinem Werk die – heute beispielsweise in China noch übliche – medizinische Verwendung pulverisierter Perlen der Margaritifera margaritifera: „Bayerische Perlen sind nicht nur zum Frauenschmuck bestimmt“, heißt es im Vorwort, sondern hielten – wie er selbst an den kurfürstlichen Krankenhäusern in München erprobte – auch im medizinischen Gebrauch den asiatischen und amerikanischen die Waage.

Die Perlfischerei war lange Jahre ein marginales, den Muschelbestand nicht gefährdendes Moment. Folgende Begebenheit aber gab in Oberfranken im Jahr 1729 den Anstoß zur intensiven Aufnahme der Perlfischerei: in diesem Jahr erkrankte einem Bauern in Fohrenreuth (bei Rehau) ein Ochse an einer Augenkrankheit. Der Bauer erhielt den Rat, Muscheln zu brennen und zu pulverisieren und dieses Pulver dem Ochsen in das kranke Auge zu blasen. Die Kinder des Bauern holten dazu Muscheln aus der Grünau (heute Perlenbach) und fanden in ihnen weiße, runde Kügelchen, mit denen sie spielten. Dadurch wurde die Sache bekannt. Der Besitzer des Fischwassers, ein Herr von Beulwitz, übergab die Perlen seinem Landesherren und machte ihn auf das zahlreiche Vorkommen der Perlmuscheln aufmerksam. Der Markgraf Karl Georg Friedrich besuchte 1730 den Perlenbach und im Jahr 1731 wurden erste Verordnungen zum Schutze der Muscheln und zur Förderung der Perlfischerei erlassen.

Zur Zeit der deutschen Kleinstaaten und Fürstenhöfe im 18. Jahrhundert wurde sie teilweise gezielt angesiedelt und mit drakonischen Strafen geschützt, so im Odenwald und in der Eifel - z.B. im nach ihnen benannten Perlenbachtal in der Eifel. Dabei enthalten weniger als 4% der Muscheln eine Perle, nur jede 600te eine "schöne" Perle!

Die hier vorgestellte Muschel stammt aus dem Erbe meines Grossvaters, der sie vermutlich bei einem seiner Fischereigänge aus der Our gezogen hat. Gefährdungsgrad: in der Roten Liste von 1999 als „ausgestorben oder verschollen" (RL 0) eingestuft. Aufgrund von Wiederfunden jüngeren Datums in der Eifel fiele ihr heute der Status „vom Aussterben bedroht" (RL 1) oder eventuell auch der Status „durch extreme Seltenheit gefährdet" (RL R) zu. Die Muschel ist äusserst selten - sie steht unter Naturschutz, darf weder eingesammelt noch besessen werden - soll ich mein Exemplar etwa wegschmeissen?

Naturmedizin


Gefässe für Heilmittel, Ost-TIMOR

 

Vorgestellt werden drie Gegenstände, die mein Sohn Thomas von einem Orientaufenthalt mitbrachte:

  • ein 18 cm hohes Behältnis mit einem handgeschnitzten Verschluss aus Holz. Derartige Behälter werden zur Aufbewahrung von Kalkpulver benutzt. Gebranntes Kalkpulver ist unverzichtbar bei der Verdauung der Betelnuss. Diese wird vielfach als „Treibstoff der Südsee-seelen“ bezeichnet. Sie erinnert äußerlich an eine große Eichel, wird entzweigebissen, die Frucht mit Kalk- oder Korallenpulver bestreut, ein wenig Tabak reingelegt, in ein Pfefferblatt gehüllt und rund zehn Minuten gekaut. Profis tauchen den Tabak zuvor noch in Wodka.
    Alle kauen die Leichtrauschdroge, deren Wirkung irgendwo zwischen zwei und drei Bieren liegt. 10 bis 20 Nüsse pro Tag sind Durchschnitt auf Palau. In Yap, dem Hauptanbaugebiet, 20 bis 40. Der rote Saft wird kunstvoll als dünner Strahl ausgespuckt. Auf die Straße zum Beispiel. »Frauen, die nicht ausspucken können, taugen nichts«, sagen Kenner…
    Die meisten Leute auf Palau haben ab Mitte 30 rot gefärbte, zerfressene Zähne. Auf Yap schon früher. Die Hauptwirkstoffe der Betelnuß sind die Alkaloide Arecolin und Arecaidin (sowie untergeordnet Guvacolin und Guvacin). Der Wirkstoffgehalt kann abhängig von Wuchsort, Reifegrad, Frische und anderen Faktoren um ein Mehrfaches schwanken. Er wird mit 0,15 bis über 1 % der getrockneten Nuß angegeben und soll im Mittel bei 0,4 bis 0,6 % liegen. Das Arecolin wird für die meisten körperlichen Wirkungen verantwortlich gemacht. Durch den Zusatz von gebranntem Kalk beim Kauen werden nicht nur die Alkaloide leichter aus der Nuß freigesetzt, sondern auch das Arecolin durch Hydrolyse zum Großteil in das stimulierende aber körperlich weniger bedenkliche Arecaidin umgewandelt. Nur ein geringer Teil der Alkaloide wird durch die Mundschleimhaut resorbiert. Der Großteil der Wirkstoffaufnahme erfolgt erst im Dünndarm. Der Zusatz des gebrannten Kalks soll übrigens auch an der Entstehung des roten Betelfarbstoffs beteiligt sein. Demnach wäre der blutrote Speichel so eine Art Qualitätsmerkmal für "Safer Betel". Wir erwähnen das Kalkpulver hier, um zu zeigen, dass schon die Naturvölkern über elementare Kenntnisse bzw. Vorahnungen von organischer Chemie verfügen.
  • Das zweite, 17 cm hohe Objekt stammt, wie die vorigen, aus Osttimor. Das röhrenförmige Behältnis konnte medizinische Pulver enthalten.

  • Das dritte, 14 cm hohe, 2 cm im Querschnitt messende Behältnis aus dem westlichen Teil von Osttimor besitzt einen Fuss und Verschlussteil aus Holz, das Mittelteil besteht aus Hirschhorn. Derartige Gefässe werden auf Timor benutzt, um Medikamente aufzubewahren. Zum Teil kommt dem Material, aus dem die Gefässe hergestellt sind, eine magische Bedeutung zu. So wäre es durchaus nicht erstaunlich, wenn die Inselbewohner auf Timor dem Knochen des Hirsches eine magische Bedeutung zuschreiben würden. Marken Vereinte Nationen 2004. Entwurf: Karen Kelleher/USA.

    Die junge Republik macht jede Menge Anstrengungen, um medizinnisch voran zu kommen: dank einer Kooperation zwischen Dili und Havanna sind 90 % der Ärzte in Osttimor Kubaner, insgesamt 300. 700 Timoresen studieren in Kuba Medizin.

Naturmedizin


Kapala, tibetische

Knochenschnitzerei, Mahasidda. 

Die Ursprünge der Hirnschalen reichen in graue, mystische Vergangenheit:
"Although both the Indian and Tibetan traditions always speak of the kapala as merely a symbolic and iconographic device representing the destruction of demonic (or human) enemies of the religion, it is quite certain that (human) blood was actually drunk from such cups and/or (human sacrificial) flesh actually eaten" - Menschenblut...

Vor 14.700 Jahren tranken in der englischen Grafschaft Somerset Menschen aus Menschenschädeln - mit dieser Nachricht schockierten Experten vom London Natural History Museum die Briten im Februar 2011: sie hatten 3 Schädel untersucht, die alle sorgsam bearbeitet waren um als Trinkbecher zu dienen: Prost Opa ! Bei den Wikinger finden wir das Ritual später wieder.

Aus den eurasischen Steppen wurde früher wiederholt von solchen rituellen Trinkvorgängen berichtet:

  • in der keltischen Höhle von Byciskála in Böhmen/Mähren fand man drei (davon einen weiblichen) Schädel, die zu Trinkgefässen umgearbeitet waren.
  • Laoshang der asiatische Xiongnu-Kaiser (- 161 v.Chr.), lässt den Schädel des besiegten Königs Yuezhi zu einem Trinkgefäss schnitzen.
  • Herodot und Strabo berichteten, dass die Skythen aus den Schädeln ihrer erlegten Feinde tranken
  • der Langobardenführer Alboin (regierte von 560-572 n.Chr.) liess aus dem Schädel des von ihm erschlagenen Gepidenkönigs Kunimund einen Becher machen und zwang seine Frau, die Tochter besagten Kunimund's, aus diesem Kelch zu trinken.
  • 811 liess der Fürst der Bulgaren Khan Krum (Crumus) (802-814) aus dem abgeschlagenen Haupt des griechischen Kaisers Nikephoros I einen Trinkbecher anfertigen.
  • Khan Kurya (10. Jahrhundert) liess den Schädel von Svyatoslav I von Kiev zu einem Kelch verarbeiten als Zeichen seiner Hochachtung.

Aus deinem Schädel trinken wir
Bald deinen süßen Wein
Du Ungar! Unser Feldpanier
Soll solche Flasche sein.

... lässt Johann Wilhelm Ludwig GLEIM (1719-1803) den Soldaten vor Prag singen - eine Anspielung an das Schädeltrinken in den Balkanländern. Der Schädel als "Panier", d.h. als Banner, als Fahne.

Die Kirche übernahm das Ritual der Fürsten, und ehrte seine Martyrer und Heiligen durch Trinkschalen:

  • 570 wurde in einem Frauenkloster am Berge Sion in Jerusalem Wein aus der Hirnschale der hl. Theodata dargereicht.
    [zit. https://www.hoepfner.de/downlo/texte/Bier- am-OberRhein.pdf]
  • in Ebersberg/Bayern wird die Hirnschale des hl. Sebastian aufbewahrt. Der Hut mit der Hirnschale ist abnehmbar; bis ins 17. Jahrhundert durften Wallfahrer mit Hilfe von Trinkröhrchen (die in Form herausnehmbarer Pfeile in der Büste steckten) geweihten Wein daraus trinken.
  • in Echternach/Luxemburg wurde das Messopfer angeblich im Schädel eines hl. Querinius zelebriert [zit.: https://www.hoepfner.de/downlo/texte/Bier-am-OberRhein.pdf]. In Wirklichkeit spielt sich die Story mit dem Schädeltrinken in Neuss am Rhein ab, wo seit 1050 die Reliquien des hl. Quirinus verehrt werden: "In Neuss angekommen, wollte man die Reliquien sehen und das wundertätige Wasser aus der „Hirnschale“ des Heiligen trinken" [zit. https://de.wikipedia.org/wiki/Quirinus_von_Rom].

    Neben dem Schädeltrinken gibt es in der katholischen Kirche als "Aberglauben" das "Schädelaufsetzen: in Würzburg setzten sich Gläubige, die unter heftigen Kopfschmerzen litten, die Schädeldecke des hl Makarius auf den Kopf.

    Die Kapala (engl. "skull cup") ist ein unentbehrliches Symbol bei tantrischen Weihe- und Initiationsritualen. In ihr befindet sich Amrita, das mystische Elexier, welches symbolisch zubereitet wird, um es dann dem Adepten zum Trank zu reichen.
    Die Schädelschale dient des weiteren dazu, um Gottheiten Libationsgaben darzubringen. Eine Gottheit, welche die blutgefüllte Schädelschale übernimmt und aus ihr trinkt, bedeutet damit, daß sie das Opfer annimmt und bereit ist eine Gegenleistung zu erbringen.

    Die tibetanische "thod pa" (sanskrit "kapala") ist eine menschliche Hirnschale, die in der hinduistischen Liturgie Indiens und der buddhistischen Vajrayana-Liturgie Tibets benutzt wird, um die Menschen an die Vergänglichkeit des irdischen Seins zu erinnern. Die Tibeter opfern darin ihren dharmapala Wein (symbolisch für Blut): mit Blut gefüll heisst die Schale "Ashrakapala", mit Fleisch gefüllt trägt sie den Namen "Mamsakapala"...

    Als Attribut einer weisen Lebensführung und der Funktion als Ess- und Trinkgefäß dient die Schädelschale bei Darstellungen: tantrische Schalen aus Schädelknochen werden im Tibet vielfach auf der Aussenfläche mit Symbolischen Bildern skulptiert und mit Silber und Edelsteinen verziert, mit den Bildern der Gottheiten DURGA, KALI und SHIVA.
    Andere tragen die Bilder eines der 84 "Heiligen" der Buddatradition, eines Mahasidda, etwa dem Mahasiddha KANHA... So auch die hier vorgestellte Schale.

    Ein Siddha zu sein bedeutet im Buddhismus zahlreiche Fähigkeiten zu besitzen, wie spontane Krankenheilung, Fliegen oder die Beeinflussung von Wetter. Ein Mahasiddha, "großer Siddha", ist bereits zur vollkommenen Erleuchtung gelangt.

    Die Hirnschale wird ansonsten von Mönchen benutzt, die daraus trinken - ein "memento mori". Schädelschalen gehören zu den wichtigsten tantrischen Kultgegenständen. Sie gelten als »Innere Almosenschalen«, denn ursprünglich dienten sie den Tantrikern als Bettelschale, aus der diese auch aßen und tranken. In den tibetischen Klöstern finden sie hauptsächlich als Altar-, Weihe- und Opfergegenstand Verwendung. Den Sanskritbegriff »Kapala« für Schädelschale übersetzen die Tibeter auch mit »Beschützer der Glückseligkeit«, da die Schädelkalotte das Gehirn und damit das »Chakra der Großen Glückseligkeit« bedeckt. Die Schädelschale ist zudem ein Attribut tantrischer Gottheiten, die daraus Amrta, den »Nektar der Unsterblichkeit« oder Blut trinken. Zornvolle Gottheiten, wie etwa der Todesgott Yama, werden aus diesem Grund auch »Bluttrinker« genannt.

    Welcher Schädel eignet sich?
    siehe dazu:
    www.geocities.com/tibetkapala/examining_a_skull.html

    Aus wessen Schädel wird eine Hirnschale verfertigt?
    Die stärksten Kräfte werden in der tantrischen Tradition den Schädeln von Verbrechern und Hingerichteten beigemessen. Eine besondere Kraft geht auch von Schädeln aus von fehlgebildeten Kindern und von pubertierenden Knaben, von Kindern die aus einer unerlaubten Vereinigung stammen (unterschiedliche Kasten, Vater unbekannt, Inzest etc). Die Schädel von Menschen, die eines gewaltsamen Todes oder an einer schlimmen Krankheit starben besitzen eine mässige tantrische Kraft. Wer aber friedlich in seinem Bett an Altersschwäche starb, dessen Schädel besitzt keinerlei okkulte Kraft...
    "Eine außergewöhnlich kostbare Schädelschale, die vermutlich aus dem Kloster eines Dalai Lama stammt, wurde aus der Schädelkalotte des großen Gelehrten und Siddha Tenpe Wangchug (1855-1882) hergestellt. Der Schädel ruht auf einem dreieckigen goldenen Ständer mit aufgesetzter sechsblättriger Schale, die mit drei vollplastischen Menschenköpfen verziert ist. Sie stehen als Symbole für die Überwindung der drei grundlegenden Geistestrübungen: Gier, Hass und Verblendung. Die Schädelschale besitzt einen goldenen, mit Ranken, Wellen und Glückssymbolen reich verzierten Deckel, der zudem mit vier Blüten aus Edelsteineinlagen geschmückt ist und von einem fünfspeichigen Vajra-Knauf bekrönt wird" (https://www.tibet-villahuegel.de/index.php?id=179).

    Bei den Pujas (hinduistischen Ritualen) wird die Kapala zum Darbringen von Rakta, Nektar und Medizin verwendet.

Naturmedizin


Lehmfiguren, Kamerun

 

An Verhexung glauben viele Afrikaner, selbst im Falle von Krankheiten, bei denen seit Jahrzehnten Volksaufklärung betrieben wird, wie der Malaria. Im Benin haben bei einer Umfrage 0.01% der Befragten Verhexung als Ursache der Malaria angegeben.
Die hier vorgestellte Gruppe von Lehmfigürchen stammt aus dem Grasland Kameruns, dem Gebiete der TIKAR, die den nordwestlichen Teil des Landes (Provinz Bamenda) entlang der Grenze zu Nigeria bevölkern (~250.000 Personen).

Die TIKAR glauben, dass aus dem mütterlichen Blut das Blut, die Muskeln und die Organe des Foeten entstehen, aus dem väterlichen Sperma aber die Knochen, die Zähne, das Herz und das Gehirn und - wenn es ein Junge wird - die Geschlechtsorgane. Dieser Mischzustand spiegelt die komplexe Tradition dieses Volkes wider, mit teils matrilinearen, teils patrilinearen Elementen.

Die ältesten männlichen Sippe hüten die Schädel der Vorfahren als Sitz ihrer Geister. Auf kleinen Hausaltären werden Lehmfigürchen von Schutz-, Fruchtbarkeits- und MachtGottheiten verehrt.

Der Glaube an Verhexung treibt "afrikanische" Blüten: glaubt ein Ehemann, seine Gemahlin werde von einem Rivalen verhext, der damit die Konzeption eines Jungen oder eines Mädchen verhindere, massiert er den Bauch seiner Gemahlin mit den hier vorgestellten Figürchen, um die Behexung zu neutralisieren: mit der Figur eines kleinen Jungen, falls er die Geburt eines Jungen wünscht, mit der Figur eines Mädchens, wenn er ein Mädchen wünscht. (Angaben des afrikanischen Verkäufers auf dem Strassenmarkt Arlon, 2.7.2006).

"Le Ndoh est la statuette qui sert à désenvoûter et à enlever les mauvais sorts jetés sur quelqu'un. Il sert de protection de la chefferie et des concessions, contre les sorciers, les vampires, et les forces invisibles".

Beachtlich an den Figürchen ist der "schwangere Bauch" der männlichen Figur: der Zweck der Figur ist eindeutig: eine Schwangerschaft erzwingen mit einem Jungen als Geburtsziel. Der Bauch der Figur zeigt an, dass sie an der Schwangeren anzuwenden ist, das Geschlecht der Figur bezieht sich auf das Geschlecht des erwarteten Kindes - eine äusserst skurrile Mixtur...

Naturmedizin


Mäuseorakel-Kasten

Orakeltopf von der Elfenbeinküste, 20. Jh. 

 

 

Der Mauskasten gehört noch heute zu den typischen Requisiten des afrikanischen Medizinmannes in der Sahelzone (*). Ihrer Tradition entsprechend fertigt das Volk der BAULE die für diese ethnische Gruppe typischen "mbekre-" oder "gbéklé sè-"Kästen aus Bronze oder Terracotta, zumeist aber aus Holz.

Konsultationsgrund beim Schamanen sind im allgemeinen die Feststellung von Krankheitsursachen, ein Rat vor dem Antritt einer gefahrvollen Reise, vor einer Jagd, vor einem Kriegszug, oder aber ein auffälliger Traum. Auch bei der Namensgebung wird das Orakel befragt, damit der Name zum Neugeborenen passt.

Der Klient entnimmt einer bereitstehenden Kalebassenhälfte eine kleine Menge Reisstreu oder Hirse und streut sie auf die sauber parallel angeordneten Knochen in der Schale, stellt diese anschliessend in den Mäusetopf und verschliesst den Topf - gespanntes Warten während einer Minute... Die Maus steigt währenddessen in die Schale, um ihr Futter zu holen, und bringt dabei die Knochen in Unordnung. Nach etwa einer Minute hebt der Klient den Deckel hoch, entnimmt die Schale mit den "verrückten Knochen" und reicht sie dem Wahrsager zwecks Interpretation der Verschiebungen (**)... Jeder Hühnerknochen steht für ein spezielles Element (1-5 steht für Lebende, 6-10 für Tote, resp. für abstrakte Begriffe).

Nach der Konsultations opfert der Klient den Geistern (Yo's).

***

Das Vordringen des Islam in die afrikanischen Dörfer entzieht vielen Heilern das Klientel. So gelangen manche bis dahin wohl gehütete kultische Gegenstände auf den Antikenmarkt, die zuvor als Kultobjekte eher Tabu waren und in europäischen Privatsammlungen entsprechend selten zu finden sind.

 

Exponat 

Der hier vorgestellte hölzerne Mäuseorakel-Topf wurde mir im März 2002 in La Somone im Senegal angeboten - er soll aus einem Dorf Njoch im östlichen Teil des Landes (Grenzgebiet zum Mali) stammen.

 

 

Funktionsweise

Das ‘Mäuse-Orakel’ der Baule funktioniert so: Der Priester legt in das Innere des runden Gefäßes einige kleine Objekte, meistens Stäbchen. In einer bestimmten Ordnung. Dann gräbt er neben dem Gefäß einen kleinen, schmalen Gang und legt hier eine Spur von Mäuse-Futter aus. Wenn nun eine Maus kommt und das Futter frisst, gelangt sie unter den hölzernen Topf - und an der Unterseite des ‘Mäuse-Orakels’ ist ein Loch!

 

Der Boden des Untergeschosses besteht aus geflochtenem Seil, nicht aus Eisenblech, wie im Falle des Topfes, den Homberger beschrieb. Das Flechtwerk ist mit einem scharf riechenden schwarzen Saft imprägniert, der den Appetit der Maus vermutlich in Schach hielt.


Durch dieses Loch klettert die Maus ins Innere des Gefäßes und durch ein zweites Loch in den Hohlraum, in den der Priester seine Stäbchen gelegt hat. Diese Stäbchen bringt die Maus dann in Unordnung. Aber aus der neuen Lage seiner Stäbchen erstellt der Priester zum Abschluss sein Orakel. 

 

(*) A. DELUZ, Organisation sociale et tradition orale: Les Gouro de Côte d'Ivoire, Paris-La Haye 1970.
(**) L. TAUXIER, Nègres Gouro et Gagou, Librairie Orientaliste Paul Geuthner, Paris 1924.

Eine ähnliche Praxis existiert bei dem Volke der Kirdi in Nordcameroun. Dort agieren nicht Mäuse, sondern Krabben, die in einer Schale eine Reihe von Stäbchen in Unordnung bringen.