Chirurgie


Schröpfkopf (08) aus Horn

Hornbecher
 

 

Exponat

Saugbecher aus Horn in Form eines Sturzbechers. 

Höhe 4,8 cm, Ø Boden 3,6 cm, Ø Lippe 4,6 cm. Herkunft: Olathe, Kansas, United States.

Ein ähnliches Glas aus dem 4. Jh.n.Chr. wurde in Worms gefunden:

"Die Verwendung von Schröpfköpfen ist bereits seit der Antike überliefert. Zur besseren Durchblutung wurde beim Schröpfen über einen kleinen Hautritz ein erwärmtes Schröpfgefäß gesetzt, dass sich festsaugte und das Blut auszog. Schröpfköpfe sind aus Metall, Keramik, Bein, Horn und Glas bekannt und haben ihre Gestalt, die ausschließlich funktionsbedingt ist, über Jahrhunderte beibehalten. Wie ähnlich in der Form die Schröpfgläser über einen langen Zeitraum geblieben sind, zeigt gerade das Lüneburger Exemplar. Es gibt nämlich zu diesem ein äußerlich absolut identisches Stück aus dem römischen Worms, das zu einem Fundkomplex des 4. Jahrhunderts gehört. Das geringe Innenvolumen der Schröpfgläser prädestinierte diese geradezu auch für eine Verwendung als Reliquienbehälter bis ins 19. Jahrhundert hinein, wie einige Beispiele aus entsprechenden Fundzusammenhängen belegen. Wie bei den kleinen Fläschchen sind ebenso gläserne Schröpfköpfe als einzelnes Objekt schwer zu datieren, da die Funktion über Jahrhunderte die Form vorgab" (Peter Steppuhn, in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 14 S.171-175).

Ein ähnlich geformter Schröpfbecher aus hellgrünem, blasigen Glas aus dem 16./17. Jh. wurde auch in Lüneburg (Rathaus, Gerichtslaube - Westwand / Kloake) gefunden. H max. 4,4 cm; Ø Boden 4,0 cm; Ø Lippe 3,4 cm; Gd. 0,7 mm; Gd. Lippe 2,9 mm. 

Das blutige Schröpfen als Notfalltherapie

"Die zeit der noth/ wann man lassen muß/ ist wann man nicht länger warten kann: als wann ein Kind pleuresin oder Seitenstechen hat/ unnd so jung ist/ das man ihm nicht lassen darff/ gleichwol soll man ihm laß Köpffe setzen unnd die scarificiren an statt der Aderlassung" (Petrus von der Stylle, Balbierer und Wundtartzt, Handbuch der Chirurgiae, Frankfurt am Mayn, 1611 S.245).

Schröpfköpfe, auch Laßköpfe genannt, im baierischen Raum eher Loßkopf (aus Keramik, Buntmetall oder Glas) waren in der frühen Neuzeit als Heilbehelfe und zur Gesundheitspflege häufig in Gebrauch – die bronzenen eher in Deutschland, die gläsernen eher in Italien:

"In Deutschland bedient man sich in dieser Absicht kleiner Lassköpfe von Messing, die zuerst aufgesetzt werden, und zerschneidet sodann die Haut mit dem Schröpfschnapper, der in gleicher Größe mit den Laßköpfen ist, und doch in einem male fünfzehn, sechzehn kleine Schnitte macht. In Italien hat man gläserne, und weit grössere Laßköpfe" (Johann Alexander von Brambilla, Über die Entzündungs-geschwulst und ihre Ausgänge, Wien 1786) S.458).

Chirurgie


Schröpfköpfe (09), 16. Jh

P1030254 1
 

 

 

Da der Eingriff gefahrlos war, war die Bezahlung des einzelnen Aktes entsprechend niedrig - etwa ein fünftel des Adrlasses. Dennoch war Schröpfköpfe ansetzen, wegen der Häufigkeit, eine wichtige Einnahmequelle für den Bader! 

 

Wir wissen nicht, in welcher Form dieser Schröpfkopf benutzt wurde, der trocknen oder der nassen Variante. Selbst von der trockenen Art gab es mehrere Formen:

"Wenn man die grossen oder kleinen Schröpfköpfe ohne Schröpfen setzet, muß man sie, nachdem sie auf der Haut wohl befestiget, um die unreinen Feuchtigkeiten gleichsam abzuleiten, etwas hin und her ziehen, weswegen sie auch Ziehköpfe genennet werden" (Joh. Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Leipzig und Halle 1743 Band 35 S.1241).

Nota: unter "Ziehkopf" versteht man heute eher einen Kopf "der zieht", nicht, wie in dem obigen Text, einen Kopf "der gezogen wird" ...

 

 

Wo den Schröpfkopf ansetzen?

"vornehmlich bedienet man sich derselben bey dem Schlage, in der Lähmung und andern dergleichen Zufällen, und zwar auf verschiedene Manier, als bey dem Schlage setzet man sie auf die Schulter oder an das Rückgrat, wenn die Weiber mit Dünsten befallen, so setzet man sie auf die Fläche der Schenkel, und in der Lähmung, auf den Theil, der mit solchem Zufalle getroffen werden" (Joh. Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Leipzig und Halle 1743 Band 35 S.1238). 

 

 

Aussenseiter-Indikationen

In einer Ostschwäbischen Handschrift von 1518 lesen wir: "Von der läß der Köpff. Das lassen daz man thut mit köpffen außwenig an dem leibe das ist gut (..) für den stechen und permutter" (fol 96r-v) (Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, 1984) - Seitenstechen und nicht näher beschriebene Erkrankungen der Gebärmutter als Hauptindikationen zum Ansetzen von Schröpfköpfen.

"Will man einem Frauenzimmer den Monatfuß stillen, so setze man ihr einen sehr grossen Laßkopf auf die Brüste" (Johannes Timmius, Hippocratis Aphorismi, Bremen 1744 S.336) – der Meister hatte wieder einmal toll beobachtet und ohne zu wissen, daß dieser Sog eine Oxytocin–Ausschüttung provoziert, die zu einer Kontraktion der Gebärmutter führt, hatte er einen billigen, aber wertvollen Rat erteilt.

"Wann sonsten geschrepft wird/ setzt man einen Loßkopf auff den blessirten Ort, womit das Gift ausgezogen wird/ folglich wird Theriack / zerstossener Knoblauch/ zuweilen auch Mithridat und Orvietan/ auf den verletzten Theil gelegt/ damit das Gifft dadurch etwas geschächt werde" (Germanus Adlerhold, Umständliche Beschreibung Des anjetzo Vom Krieg neu-bedrohten sonst herzlichen Königreich Neapolis, Nürnberg 1702 S.250).

 

 

Exponat

Im Mittelalter bestanden die Schröpfköpfe aus Metall, meist Messing. Vorgestellt wird ein Schröpfkopf (17. Jh.?) aus Messing (Durchmesser an der Basis 3,2cm. Größter Durchmesser 3,7 cm, Höhe 2,8 cm) aus dem süddeutschen Raum. In der Not hätte es auch ein bauchiges Trinkglas getan, ein Glas aber führte der Wandernchirurg nicht gerne mit sich, weil es unterwegs gar zu schnell zu Bruch ging. Auch der in seinem Bad hantierende Baderchirurg zog ein Gefäß aus Metall vor: lockerte sich beim blutigen Schröpfen der Becher nach einer Weile von der Haut, so konnte er zu Boden fallen.

Ritzungen auf der Außenseite stellen wahrscheinlich einen Menschen dar: 2 aneinanderliegende Beine, 2 auseinandergestreckte Arme und ein Hals (ohne Kopf). Kurioserweise findet man die gleichen Ritzungen, etwas krackeliger in der Ausführung, auf den Schröpfköpfen der "Heilerin von Tarrenz", wo einer der Schröpfköpfe ein Tier mit breitem Maul (Kuh?) darstellt als Indiz dafür, daß die Schröpfung auch in der Tierheilkunde eingesetzt wurde.

 

Herkunft: Weißenburg (zw. Nürnberg u. Augsburg).

 

Lit.:

Birgit Tuchen, Öffentliche Badhäuser in Deutschland und der Schweiz im Mittelalter und der frühen Neuzeit (Petersberg 2003).

 

Chirurgie


Schröpfköpfe (10)

17Jahrhundert 2 a
 

 

Vergleicht man diesen Schröpfkopf mit dem Vorherigen (9a), so fällt die geriffelte Oberfläche auf. Möglicherweise sollte das Relief verhindern, daß der Schröpfkopf im feuchten Badhaus dem Bader allzu häufig aus der Hand glitt und zu Boden ging.

 

 

Umfunktionieren

Im 17. Jahrhundert wurde das Schröpfen in die Hände der Bader (frz. baigneurs) und Feldscher (Lazarettärzte) gelegt. Diese benutzten nur das Verfahren des "blutigen" Schröpfens und differenzierten nicht ausreichend nach den entsprechenden Krankheitsbildern. Hierdurch kam dieses Verfahren durch falsche und übermäßige Anwendung langsam in Verruf. Dadurch konnten Schröpfköpfe nun andern Zwecken zugeführt werden.

 

Der Nürnberger Fabrikant von Münzwaagen, Meister Paulus Deinert, benutzte ab 1758 als Punze die Buchstaben PD zusammen mit dem Loßkopf (Lass-Kopf) resp. Schröpfkopf - Schröpfkopf als Familien-Beiname.

 

Später wurden die Köpfe regelrecht "mißbraucht" – von ihrer Verwendung als Reliquienbehälter habe ich bereits gesprochen: "Auf den Fildern (Spitzkohl-Feldern) wurden die Schröpfköpfe von Generation zu Generation vererbt – und reichen Bauerntöchtern gern in die Aussteuer mitgegeben. Denn genutzt wurde der überdimensionale Fingerhut zum Abmessen der Filderkraut-Samen. In den kleinen Metallzylinder passen nämlich ziemlich genau 1000 Stück der kleinen Kugeln – was dem Landwirt beim Aussäen des wegen seines hohen Preises auch gern als „Filder-Kaviar“ bezeichneten Samens mehr als nur einen groben Überblick aufs Saatgut ermöglichte. So kam es zur Maßeinheit "Ventaus" … Die noch heute bekannte Größe mit einem Bodendurchmesser von 3,7 Zentimeter geht aufs Jahr 1806 zurück und fasst ein württembergisches Kubikzoll, also 22,12 Kubikzentimeter (Sascha Schmierer, Der Messbecher für den wertvollen „Filder-Kaviar“, Stuttgarter Nachrichten, Was isch au des, 20. Oktober 2015).

 

Die Stuttgarter waren nicht die Einzigen, die Schröpfköpfe zum Abmessen benutzten: "Gute Bratwürste zu machen (..) auch nach Belieben/ eine Hand voll halbgesottenen Pfeffer und Majoran/ auch nach Belieben/ einen Laß-Kopff voll Coriander/ und hacke es ferner alles klein" (Fridericus Frisius, Der vornehmsten Künstler und Handwercker Ceremonial-Politica, Leipzig 1708 S.831).

 

 

Exponat

"Baderskopf", Bronze. Maße: max. Durchmesser 3,6 cm, Öffnung 3,3 cm, Höhe über alles 3,3 cm. Gekehlte Aussenseite.

Herkunft: Süddeutscher Raum

 

vgl. Schröpfkopf, Fundort: Burg Prandegg. OÖ. Burgenmuseum, Reichenstein.

Chirurgie


Schröpfköpfe (11)

Hyperaemator vg. Itting 1935 1

Hyperaemator

 

 

Gelegentlich kamen mir Zweifel, ob es sich bei dem hier gezeigten Gerät wirklich um etwas Medizinisches handelt oder doch um einen Pornoartikel, mit dem die Vulva zum Anschwellen gebracht wird. Beruhigt war ich erst, als ich ein sehr ähnliches Gerät sah, das in den 30er Jahren von Franz Itting in Probstzella / Thüringen hergestellt wurde, in dessen Glasglocken eingegossen zu lesen stand "Schröpfkopf-Hyperaemator".

 

Lit.:

Der Schröpfkopf-Hyperaemator, ein neues hochwertiges Therapeutikum für den praktischen Arzt. Ein Beitrag zur Geschichte des Schröpfverfahrens. Fa. Franz ITTING (Hrsg.), um 1935.

 

Franz Itting (1875-1967) hatte 1909  in Probstzella ein Elektrizitätswerk gegründet und damit die Stromversorgung in das südöstliche Thüringen gebracht. Sozial sehr engagiert, wurde er von den Nazis als "Roter Itting" ins Konzentrationslager gesteckt und nach dem Krieg 1948 von den Kommunisten erneut eingesperrt und zusätzlich enteignet. 1950, nach der Entlassung aus dem Gefängnis, flüchtete er mit seiner Familie nach Ludwigsstadt ins benachbarte Bayern (Landkreis Kronach) und baute dort - mit 75 Jahren, erneut einen Elektrizitätsbetrieb auf, der noch heute existiert.

 

Zu den Schröpfköpfen lieferte die Firma gleich den passenden Skarifikator mit:

"Zur Setzung der Schnittwunden bedient man sich am besten eines kleinen Apparates, der fast schmerzloses Schneiden gewährleistet. Je nachdem, ob man einen schweren, beleibten Patienten vor sich hat oder einen Astheniker, nimmt man den größeren oder kleineren Messer-Einsatz. Es ist notwendig, diesen Apparat stets gut zu reinigen, was mit Hilfe einer von der genannten Firma (Fr. Itting) gelieferten Vorrichtung geschieht" (Aschner-Fibel, 13. Aufl. Haug-Verlag Heidelberg 1996 S.98).

 

Homer beschreibt im IV. Gesang der Ilias, wie bei den alten Griechen nach der Entfernung eines Pfeils die Wunde (von Menelaus) ausgesogen wurde. GALEN entwarf ein eigenes Instrument, das "pyulcon". 
Im Mittelalter bediente man sich eines Rohres, um die Wunde auszusaugen:
"Gawan, der sich auf Wund- behandlung verstand, nahm einen Lindenast und löste die Rinde, sodass eine Röhre entstand. Die schob er in die Stichwunde. Nun bat er die Frau zu saugen bis dass ihr das Blut entgegenkäme. Da kehrte dem Helden die Kraft zurück, und er konnte wieder sprechen" (Wolfram v. Eschenbach, Parzifal Buch X, 506, 4–19) 

In der ersten Hälfte des 18. Jh. erfand der französische Chirurg Dominique ANEL (1679-1740) eine kleine Saugspritze, um diese sog. "Soldatensauger" zu ersetzen. Gruppen von Männern und Frauen waren bis dahin auf den Schlachtfeldern "der Ehre" damit beschäftigt gewesen, die Wunden der Soldaten auszusaugen, um auf diese Weise Schmutz als Infektionsquelle zu beseitigen.

 

Lit.:
Dominique Anel, L'art de succer les playes sans se servir de la bouche d'un homme: avec un discours d'un spécifique propre à prévenir les maladies vénériennes. Amsterdam 1707, 1716, 1732; Trêvoux, 1717, 1720.

 

Zu den Soldatensaugern
" Il y a dans les troupes du roi des soldats qu'on appelle superstitieusement pour la cure des plaies, & principalement celles qui sont faites par instrument piquant, & qui pénetrent dans la cavité de la poitrine ou du bas - ventre. Ces hommes n'ont aucune idée de la Chirurgie; ils le signifient eux - mêmes: ils pansent du secret, c'est leur expression. Ce secret consiste à sucer les plaies, à y faire couler ensuite quelque peu d'huile & de vin, en marmotant quelques paroles & disposant les compresses en forme de croix. On trouve des personnes assez dépourvues de sens pour se mettre entre les mains de ces ignorans & imposteurs, & qui se laissent tellement prévenir par leurs promesses, qu'elles refusent tout secours de la part de la Chirurgie. On sent assez que les plaies du bas - ventre avec lésion des intestins, les plaies de tête qui exigent le trépan, les plaies des gros vaisseaux dans les extrémités, & tant d'autres qui exigent une grande expérience & beaucoup de soins intelligens de la part du chirurgien, soit par leurs causes, soit par leurs complications, ne sont pas susceptibles d'une guérison par un moyen aussi simple que l'est la succion. La méthode de sucer pourroit cependant être bonne dans quelques cas. Un coup d'épée dans une partie charnue, où il n'y a aucun vaisseau considérable d'intéressé, occasionne un épanchement de sang dans tout le trajet du coup: on procureroit une prompte guérison en suçant une pareille plaie, parce qu'on la debarrasseroit du sang dont la présence devient une cause de douleur, d'inflammation & d'abscès dans les interstices des muscles, accidens qui mettent quelquefois dans la nécessite de faire des incisions douloureuses. Les plaies de poitrine avec épanchement de sang sur le diaphragme, peuvent être guéries très promptement par la succion, pourvû qu'elle soit faite à - tems, c'est - à - dire avant la coagulation du sang épanché. 
M. Anel, docteur en chirurgie & chirurgien de madame royale de Savoie, bisaieule de Louis XV. persuadé de l'utilité de la succion des plaies, dans les circonstances que nous venons d'exposer, a donné un moyen de le faire sans se servir de la bouche. Il y a effectivement du danger à sucer la plaie d'un blessé qui se trouveroit atteint de quelque maladie contagieuse, comme la vérole, le scorbut, &c. & les blessés qui seroient d'une bonne constitution ne risqueroient pas moins de la part d'un suceur qui auroit quelque mauvaise disposition. 
L'invention de M. Anel consiste dans l'usage de la seringue ordinaire, à laquelle il a adapté des tuyaux d'une figure particuliere. Pour se servir de cette seringue, il faut dégorger l'entrée de la plaie des caillots de sang, si elle en étoit bouchée. Si c'est par exemple, une plaie pénétrante dans la poitrine, on introduit une sonde jusque dans la cavité. Cette sonde cannelée sera armée d'un fil; on étend ce fil à droite & à gauche pour qu'il se trouve engagé & pressé par l'orifice du tuyau qui doit être appliqué sur la circonférence de la plaie, en maniere de ventouse: par ce moyen la sonde est assujettie. On ajuste la seringue à ce tuyau, on en tire le piston, & l'on pompe ainsi tout le sang qui est épanché. On doit injecter ensuite dans la plaie un peu de baume tiede; & couvrir l'orifice externe de la plaie pendant un quart d'heure, avec une compresse trempée dans l'eau vulnéraire. Alors on suce la plaie pour la seconde fois, afin d'ôter le baume superflu, qui restant dans la plaie & écartant les parois, empêcheroit la réunion; & afin d'évacuer l'epanchement des humeurs qui auroit pu se faire depuis l'injection du baume. On applique une compresse & un bandage contentif, & on ne néglige point les autres secours qui peuvent favoriser la guérison, lesquels se tirent du régime, & de l'administration des remedes convenables"
 (Diderot, Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une Société de Gens de lettres, 1751-1772). Man beachte, dass Skorbut damals zu den übertragbaren Krankheiten gerechnet wurde!

 

Lit.:
Shier, M., The Woundsuckers of the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: The Medical Pickwick. 2 (1916), S.125-126.

Ausführliche Besprechung der "succion" im Dictionnaire des sciences médicales, Paris 1821, Bd. 53 S. 111-116.

"Petit de Lyon [Marc-Antoine PETIT(1766-1811)], en 1793 imagina d'appliquer la ventouse après avoir ouvert un abcès par congestion, et ce procédé a été suivi depuis par un grand nombre de praticiens. M. LARREY a employé les ventouses après avoir fait des incisions sur plusieurs points du corps chez un soldat qui avait contracté un emphysème général et extraordinaire à la suite de l'introduction de l'air par une plaie de poitrine" (Dictionnaire des sciences médicales, Paris 1821, Bd. 57 S.188)

 

Luftemphysem, Abscesse und frische Wunden - viele Indikationen für die Succion. Ob leergesogene Wunden aber wirklich schneller abheilten oder ob sie jetzt erst recht durch Übertragen resistenter Stämme bzw. durch Einimpfen der Tuberkulose vereiterten, mag dahingestellt bleiben ... Eines steht fest: viele Sauger [!] erkrankten an Syphilis, indem sie die Erreger mit dem Blut und Eiter in sich aufnahmen!
War dieses Absaugen eine sinnvolle Massnahem gegen den damals häufigen Wundstarrkrampf? Vielleicht. Noch heute werden Wunden ausgesogen, wenn Gift in der Tiefe vermutet wird - nach Schlangenbiss, Skorpionstich etc. Zugegeben, diese Massnahme ist umstritten, da das Gift in den Sauger übergehen kann. In den Krankenhäusern werden heute elektrische "wound-suckers" eingesetzt, sog. "Negative Pressure Wound Therapy Devices".


Die hier vorgestellten Saugglocken dienten einem ganz besonderen Zwecke: der Reinigung von Fistelgängen. Sie wurden auf die eiternde, fistelnde Wunde aufgesetzt und angesogen, bei stark eiternden Wunden mit der grossen Glocke - mit Skala zum Ablesen der abgesogenen Menge, bei Nachlassen der Absonderung kamen die kleineren Glocken zum Einsatz.


Hersteller war die Fa. KaWe in Stuttgart, das Produkt trug die Nr. 68252. Gustav Kirchner und Hugo Wilhelm hatten 1890 in Stuttgart eine Fabrik für Medizintechnik gegründet, die es noch heute gibt (Sitz: D-71679 Asperg, Eberhardstrasse 56).

Nota: ähnliche Glocken finden sich im Katalog des "Medicinischen Waarenhauses Berlin" (um 1910) S.89.

 

Exponat

Set von 5 Saugglocken und einer Handpumpe. Die Apparatur gestattete bequem sowohl blutiges als auch unblutiges Schröpfen. 

"Aschner preporučuje i jedan vrlo praktički aparat sa mehaničkom sisaljkom takozv, Hyperaemator" (L. Trauner, Klinička studija o Karbirenju, in: Vjesnik LIJEČNIČKI, Zagreb Studeni 1940 S.600-603). (Aschner empfiehlt auch eine sehr praktische Apparatur mit einer mechanischen Absaugung, genannt Hyperaemator, L. Trauner, Clinical Study).

Chirurgie


Schröpfköpfe (12) n. HEURTELOUP

Heurteloup

Künstlicher Blutegel, 1840

 

 

Künstlicher Blutegel n. Heurteloup, "welcher aus zwei voneinander unabhängigen Instrumenten besteht, nämlich aus einem Locheisen, welches durch das schnelle Abrollen einer um den Stiel desselben gewickelten Schnur mit großer Geschwindigkeit rotiert wird und dadurch eine ringförmige, stark blutende Hautwunde erzeugt, und aus einem Glascylinder, in welchem vermittelst eines Eisenstabes ein gut schließender Stempel auf und ab bewegt werden kann. Hat man die Haut mit dem Locheisen verwundet, so setzt man den Glascylinder auf und macht ihn durch Emporziehen des Stempels relativ luftleer, wodurch das Blut aus der ganzen Wundfläche herausgetrieben wird. Besonders häufig wird der künstliche Blutegel wegen seiner bequemen Handhabung und der genauern Bemessung der zu entziehenden Blutmenge von den Augenärzten benutzt" (Meyers Konversations-Lexikon, 1888).

Herkunft: Bayerisch Gmain, Berchtesgadener Land/Deutschland.

Hersteller: Fa. Hermann Katsch/München, 1865 gegründet.

Vertrieb: Instrumentenfabrik von J. Thamm/ Charitéstr. 4, Berlin resp. Karlstr.14

Chirurgie


Schröpflampe

Schnepper 9
 

 

Will man die Schröpfköpfe nicht kalt mit einer Pumpe oder mit dem Mund ansaugen, ist man - bei aller Angst vor Verbrennungen - darauf angewiesen, die Luft in der Glocke über einer offenen Flamme aufzuheizen.

Dazu dienten ein einfacher Kienspan, eine Glaslampe, die mit Aether betrieben wird oder das hier vorgestellte Kännchen, in dem Benzin verfeuert wurde.

 

3 ähnliche Lampen kann man in folgenden Firmenkatalogen finden:

- Waldek & Wagner, 1905. Preisbuch über chirurgische und medizinische Instrumente und Behelfe, Bandagen, orthopädische Maschinen und künstliche Extremitäten, Verbandstoffe, Apparate zur Pflege und Erleichterung für Kranke. (S.128, fig.2137);

- Katsch, Hermann, 1906. Haupt-Preisliste, S.151, fig.1945;

- Wendschuch, Carl, 1910. Haupt-Katalog, S.200, fig.131.

 

Exponat

Mehrfach gelötetes Kännchen. Daneben 20 große und 2 kleine Metallbecher sowie 2 viereckige Schnepper. Herkunft des Sets: Saint Agnan / Bourgogne.

Chirurgie


Schutzhelm

 

 

1914 gingen die Armeen zum Stellungskrieg über, ab Anfang 1915 ging man dazu über, Sturmangriffe der Infanterie durch stundenlanges Artilleriefeuer vorzubereiten. Dabei verwendete man vor allem Splitter- und Schrapnellgeschosse, die eine verheerende Wirkung gegen Menschen entfalteten. Innerhalb kurzer Zeit stieg der Anteil der Verwundungen massiv an. Etwa ein Viertel dieser Verwundungen waren Kopfverletzungen und somit fast immer tödlich. Es war also Eile geboten, die Kopfpartie der Soldaten zu schützen.

 

Die deutschen Helme M1916/M1917
1915, wurde beim XVIII. Armeekorps eine Untersuchung durchgeführt, die erbrachte, daß 83 Prozent der Kopfverletzungen von Splittern herrührten, die zumeist winzig klein waren. Nur 17 Prozent wurden durch Infanteriegeschosse verursacht. Dies ließ die Frage nach einem speziellen Kopfschutz aufkommen. Im November 1915 war der neue Helm mit einer Metallstärke von 1 mm auf dem Artillerieschießplatz Kummersdorf Beschußversuchen unterworfen worden, die zur vollsten Zufriedenheit verliefen. Selbst Schrappnellkugeln aus nächster Entfernung vermochten diesen Helm nicht zu durchschlagen.
Im Dezember wurden erste Exemplare des Helmes an der Front getestet. Es folgte die Anordnung der Massenproduktion, Ende Januar 1916 lieferte das Eisenhüttenwerk Thale/Harz erste Helme an die Truppe. Im Februar 1916 wurde die Einführung eines "Stahlschutzhelmes", so die offizielle Bezeichnung, durch den Chef des Generalstabes des Feldheeres, General von Falkenhayn, verfügt.

 

Als Erfinder galten drei Personen. Da sowohl technische als auch anatomische Probleme zu lösen waren, war die Zusammenarbeit mehrerer Personen gefragt - Friedrich Schwerd (1872-1953), der Professor an der Technischen Hochschule Hannover war, im Krieg Hauptmann der Landwehr;
- Professor Dr. August BIER (1861-1949), Marine-generalarzt und beratender Chirurg des XVIII. Armeekorps; das schlichte Umdrehen eines Nachttopfes aus Blech soll ihn zur Erfindung des Stahlhelms inspiriert haben. Am 15. August 1915 regte er die Entwicklung des Schutzhelmes an.
- die typische und wohl einmalige Form erhielt der Helm von der Gattin des Professors Schwerd.
Im 2. Weltkrieg trugen die Sanitäter weiße M35-Helme mit einem roten Kreuz vorn, manchmal auch hinten, drauf.

 

Der typische amerikanische Helm M1
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden auf alliierter Seite Bemühungen unternommen, verbesserte Stahlhelme zu entwerfen. Das "US-War Department" verweigerte die Unterzeichnung eines Vertrags über die Produktion von zwei Millionen weiteren M1917-Helmen und gab die Entwicklung eines neuen Helmtyps in Auftrag. Ein erster Entwurf wurde wegen seiner zu großen Ähnlichkeit mit dem deutschen Stahlhelm verworfen - man befürchtete fatale Verwechslungen im Kampf. Die Ausgabe des schliesslich zurückbehaltenen Modells, des M1-Helm, wurde am 9. Juni 1941 angeordnet. Auch die Sanitätern trugen M1-Helme, mit Rotem Kreuz: drei, vier oder mehr Kreuze waren aufgespritzt. Vorgestellt wird ein Helm mit 5 Feldern. Das Inlay zeigt, dass es in Wirklichkeit ein umgespritzter MP (Militärpolizei)-Helm ist ... Ja, die Helme variierten sehr von Einheit zu Einheit. Oft bestimmte der Chef-Chirurg über Aussehen der Bemalung. Ein Autor hat 20 verschiedene Bemalungen ausgemacht!.

 

Chirurgie


Skalpell (1)

Englisches Skalpell, um 1900 ? 

 

    Dieses Skalpell mit dem obstrusen Griff "Manual Tool Cie Sheffield" habe ich 1998 auf einem Flohmarkt in Canada erstanden - vielleicht kann mir ein Besucher dieser Seiten etwas zur Form und Funktion des Griffes sagen...

 

Ein identisches Objekt wurde 2005 von "jayart3" als Skalpell der Fa. WRAGGS auf dem englischen EBay-Markt angeboten: "a 19th Century surgeons scapel by Wraggs of Harwood Street, Sheffield. The makers mark is shown on the handle. It is made of rosewood with a Sheffield steel blade and a black cover. The scapel measures 16.5 cm from handle to blade. The blade is 6cm long and the black cover is 8.5cm long".

 

Eine Fa. WRAGGS gibt es in der Tat noch heute in Sheffield, allerdings "electric".

 

Nota: zu den sog. Radiermessern: Langenbeck spricht wortwörtlich von dem "Radiereisen des convexen Scalpells" (Conrad Johann Martin Langenbeck, Nosologie und Therapie der chirurgischen Krankheiten, Göttingen 1830 Band 4, 4. Abschnitt S.163).

Chirurgie


Skalpell (2)

Taschenmodell, um 1940 

 

 

"Bistouri, chirurgisches Messer mit einschlagbarer Klinge".

 

"En 1793, Joseph-Claude Récamier (1774-1852) est chirurgien auxiliaire de troisième classe dans le Service de Santé de l'armée des Alpes au siège de Lyon. Il s'embarque ensuite sur le vaisseau "ça-ira", puis s'installe à Paris. Là, il établit les leçons cliniques à l'Hôtel-Dieu. Il invente un bistouris à monture très simple, qui, en s'ouvrant, devient scalpel" (zit.: Musée Laennec/Paris). Mit dieser Bemerkung treten wir ein in die Kontroverse um die Begriffe Skalpell/Bistouri. Wir haben im Internet folgende Klarstellung gefunden:
"L’instrument tranchant en question est-il une lancette, un bistouri ou un scalpel? Le premier terme de la série, d’après le Petit Robert (1993), désigne un petit instrument de chirurgie utilisé pour la saignée, la vaccination et les petites incisions. Le Larousse du xxe siècle notait déjà, dans les années 1950, la désuétude de cet instrument. Avec scalpel et bistouri, nous nous trouvons dans un remous synonymique que les dictionnaires généraux et spécialisés ont bien du mal à endiguer. D’après ces ouvrages, il s’agit de deux instruments chirurgicaux en forme de couteau, dotés d’une lame fine et très tranchante. Ce n’est donc pas d’après ces traits sémantiques concrets qu’on peut espérer les distinguer. En analysant les multiples définitions proposées, on finit par trouver qu’on peut les différencier par leur fin. Certains ouvrages notent que le bistouri sert à inciser et le scalpel à disséquer. On pourra donc s’en tenir à cette distinction, même si elle peut être contestable. Le furoncle récalcitrant sera donc ouvert au bistouri" (zit.: https://home.ican.net/~lingua/fr/chroniques/chron_93.htm).

 

Das Bistouri dient folglich zum Schneiden von Haut oder Muskel,
das Skalpell dient zum Dissezieren von Geweben, zu deren Präparation.

 

Das hier vorgestellte Bistouri stammt, man staune, aus der aseptischen Aera – es gehörte einst dem Kollegen Robert-Jules SCHMIT (1912-1995), der ab 1941 in L-Bonneweg installiert war.

Chirurgie


Skalpell (3)

Präparierkasten, 1965 
Skalpelle der besonderen Art findet man in Präparierkästen, die in anatomischen Prosekturen und in Studentenkursen benutzt werden: die Skalpelle haben eine feststehende Klinge, der Griff ist z.T. als Schaber zu benutzen, mit dem anatomische Schichten freigelegt werden.

Chirurgie


Skalpell (4)

Verschiedene Modelle, um 1960 
Zwei unterschiedliche Messer mit fixer Klinge

Chirurgie


Skalpell (5)

Bistouri SAVIGNY
 

Exponat

Chirurgisches Messer mit einschlagbarer Klinge. Teile: Griff und Klinge (frz. manche resp. chasse, lame; engl. handle, blade). Bistouri des englischen Herstellers John Honoré SAVIGNY, 1820-50.

Länge aufgeklappt 13,9 cm; geschlossen 9,0 cm; Breite 1,1 cm; Dicke 0,4 cm.

Anschlagen der Klinge in einer 2 mm großen runden Vertiefung am Griff, kein Einrasten. Daher Datierung ins 1. bis frühe 2. Drittel des 19. Jh.

Länge der Klinge 7,8 cm.

Länge der scharf geschliffenen Klinge 4,1 cm

                 Tortoiseshell straight bistouri scalpel circa 1830/40.

                 Blade is not locking; maker marked.

Herkunft: Sofia / Bulgarien

 

Das bistouri führt in die Frühzeit der englischen Chirurgie zurück: John ABERNETHY (1764-1831), der ein verdauungsförderndes Biskuit erfand, Astley Paston COOPER (1768-1841), der als Erster die Bauchschlagader unterband, James SYME (1799-1870), der neue Techniken der Amputation ersann – als Erster setzte er in Schottland ein Bein in der Hüfte ab. Seine Tochter Agnes (1834-1893) heiratete den großen Chirurgen Joseph LISTER (1827-1912). Dass ein chirurgischer Eingriff eine nach menschlichem Ermessen sichere Behandlungsmethode sein kann, verdanken wir Lister. Ehe er im Jahre 1867 sein "antiseptisches Prinzip" aufstellte, war auch die kleinste Operation mit Lebensgefahr verbunden. Nicht immer kam es zu einer Sepsis, doch die ständige Ungewissheit über den Ausgang einer chirurgischen Behandlung war für die Zeitgenossen Listers umso quälender, als ihnen die Entdeckung der Äthernarkose (1846) und der Chloroformnarkose (1847) die Möglichkeit gegeben hatte, schmerzlos zu operieren. Man konnte größere Eingriffe wagen und stand zeitmäßig nicht mehr so unter Druck wie die Operateure des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Damals wurde ein Bein in 30 Sekunden amputiert! Gerade durch diese Erleichterung des Operierens wurde nun die Infektionsgefahr erhöht: Je länger der Chirurg mit seinen Fingern, seinen Instrumenten und Schwämmen im Körper des Patienten herumhantierte, umso weniger ließ sich die Infektion vermeiden, umso häufiger trat der septische Tod ein. Da man die wahre Ursache - die Übertragung von Bakterien als Krankheitskeime - nicht kannte, suchte man den Grund dafür in ungünstigen Einflüssen des Bodens oder der Luft (Miasmen), in der schlechten Konstitution oder der labilen Verfassung der Kranken. Aber auch die Enge und Unsauberkeit der Krankenhäuser war ein Thema.